Kultur: Die Kanten geben Kontur
Drei Generationen – drei Handschriften / Die 5. Filmnacht mit Maetzig, Reisch und Dresen
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Drei Generationen – drei Handschriften / Die 5. Filmnacht mit Maetzig, Reisch und Dresen Es war ein Wechselbad der Gefühle, in das die Besucher der 5. Filmnacht getaucht wurden. Nach der komödiantisch-kraftvollen Verzauberung durch den pfiffigen Anton, kroch die politisch und auch menschlich ergreifende Geschichte vom „Kaninchen bin ich“ unter die Haut. „Stilles Land“ schlug zur mitternächtlichen Stunde dann fein nuanciert wieder die komödiantische Seite an. Im Mittelpunkt des gut geschnürten Filmpakets standen indes die Macher selbst, die von vielen der Gäste mit Umarmung und Küsschen begrüßt wurden. Denn natürlich sind es zuvorderst die DEFA-Leute selbst, die sich für ihre einstigen Werke interessieren. Aber es waren auch junge Leute im Saal, die von den Filmen mitgerissen wurden: von der Zeitgeschichte, von sensibel geführten Figuren und der Erzählhaltung, die auch nach 30 Jahren noch ihre Aktualität besitzt. „Es sind die Kanten, die diesen Filmen Kontur geben“, meinte die fachkundige Moderatorin Christiane Mückenberger. Sie hatte das schwere Los, drei gewichtige Regisseure in nur gut einer Stunde unter einen Hut zu bekommen, zumal jeder allein einen ganzen Abend hätte füllen können. Also konzentrierte sie sich auf das verbindende Moment zwischen ihnen, was auf der Hand lag: Schließlich war Kurt Maetzig Lehrer von Günter Reisch und Günter Reisch Lehrer von Andreas Dresen. Maetzig, „ein Mann der Gegenwart, dessen Rat junge Leute auch heute noch suchen“, lernte Reisch 1947 als einen „verhungerten Jungen“ kennen, der ihn durch seine Neugier aufs Leben faszinierte. Reisch freute sich wiederum, in Maetzig einen privaten Professor gefunden zu haben, der zugleich Vaters statt vertrat. „Jeden Morgen musste ich mich nach den neuesten Nachrichten abfragen lassen. Und immer musste ich, gerade mal 21 Jahre alt, gut vorbereitet sein.“ Maetzig habe stets ganz genaue Vorstellungen von seinen Filmen gehabt. „Er brauchte keine Improvisation wie Dresen. Maetzig war der ideale, stille Regisseur. Er war der Beobachtende, und ich rannte“, erinnerte sich Reisch an seine Zeit als Regieassistent. Als er dann auf eigenen künstlerischen Beinen stand, pendelte er immer wieder zwischen tragischen und komödiantischen Stoffen: „Jungfer, sie gefällt mir, „Die Verlobte“, „Wolz“ oder eben „Anton der Zauberer“. Reisch war es wiederum, der Dresen unter seine Fittiche nahm. „Für mich war er ein ganz großer Star und mir ging es ganz schlecht, als ich ihm vor dem zweiten Anlauf auf die Filmhochschule mein elendes Amateurfilmzeug zeigte.“ Reisch gefiel’s und bis heute ist er einer der ersten, der sich Dresens Filme anschaut – „und sich in angenehmer Art daran reibt“, so der Jüngste der Runde, dessen Rat inzwischen ebenfalls gefragt ist. Man könne von einer zur anderen Generation aber nur das Handwerk weitergeben, so Kurt Maetzig. Ein gelungenes künstlerisches Verhältnis bestehe für ihn nur dann, wenn der Student völlig anders werde als sein Lehrer. Das Eigene herauszuholen, sei in ihren drei Generationen gelungen, so der Nestor der DEFA. Nach einigen Anekdoten, die erneut an die Beschränktheit mancher Politkader erinnerten, und zeigten, wie kleine Dingen oft zu großen Differenzen führten, ging es an das spannendste Thema der Diskussion. Der 93-jährige Maetzig betonte, dass er sich echte Kunst ohne Visionen nicht vorstellen könne, ebenso wenig wie eine Gesellschaft ohne Utopien. „Ich finde die heutige Zeit sehr beängstigend, da man keine Vision mehr sieht.“ Andreas Dresen, der sich selbst als „Mischkind“ bezeichnet, betonte, dass eine zu Ende gegangene Utopie nicht zu Hohngelächter berechtige. „Es ist der Verlust eines Menschheitstraums. Wir müssen neue Visionen suchen. Wie sie aussehen, weiß ich noch nicht. Aber es lohnt sich, darüber nachzudenken.“ Dazu hätte man gern noch Vertiefendes gehört, gerade auch vom altersweisen Kurt Maetzig. Aber e i n e Veranstaltung kann eben nicht alles leisten. Diese bot ohnehin schon viele Facetten und eine lange Nacht.Heidi Jäger
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