Kultur: „Die Kunst der Verführung ist ewig“
Sommerausstellung im Schloss Sacrow: Bilder, Paravents und Objekte des Berliner Künstlers Rüdiger Moegelin
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„Die Kunst der Verführung ist ewig“ kündet das vielversprechende Motto der aktuellen Kunstschau im Schloss Sacrow. Wie schon in den vier vergangenen Sommern lockt auch in dieser just angebrochenen Sacrower Ausstellungssaison der Ars Sacrow e.V., in bewährter Weise unterstützt von der Schlösserstiftung, ins verträumte Herrenhaus-und Park-Idyll vis-à-vis der Heilandskirche.
Wer bei einen Wochenendausflug ins Grüne ein bisschen Muße für die Kunst aufbringt, wird im Innern des Schlosses mit einer üppigen Bilderschau des Berliner Künstlers Rüdiger Moegelin konfrontiert. Seine bunten Leinwände, Gouachen, Paravents und Objekte bevölkern das Schloss beinahe bis in den letzten Winkel. Selbst Spiegel wurden zum Teil noch mit Leinwand verhängt, um den präsentierten Querschnitt aus 25 Jahren künstlerischer Arbeit auf die Räume zu verteilen.
Einen guten Orientierungssinn sollte man als Ausstellungsbesucher in jedem Falle mitbringen, wenn man sich - ausgestattet mit der eingangs ausgehändigten Preisliste - auf die Spuren des etwa 1982 einsetzenden Künstlerlebens von Rüdiger Moegelin (Jahrgang 1942) begibt. Denn mit welchem Bild oder Objekt man es in welchem Raum zu tun bekommt, ergibt sich wenn überhaupt nur durch pfiffiges Kombinieren zwischen der Nummerierung besagter Preisliste mit der sehr unscheinbaren Bildnummer am jeweiligen Exponat. Man kann das natürlich auch sportlich sehen: dann gerät der Ausstellungsrundgang eben ein bisschen zur Schnitzeljagd. Ist das Prinzip einmal verstanden, versteht man unten, dass es von der Chronologie her eigentlich günstiger wäre, den Rundgang oben zu beginnen. Dort nämlich sind - abgesehen von den großformatigen Berlin-Veduten, mit denen sich Rüdiger Moegelin über mehrere Jahre intensiv beschäftigte – jede Menge Bilder aus früheren Jahren zu sehen, in denen sich die Reisefreudigkeit des Künstlers heiter und farbenfroh widerspiegelt. Dadurch, dass der Künstler seine Arbeiten für gewöhnlich neben der Signatur auch noch datiert, lassen sich - trotz mangelnder Beschreibung der Exponate oder Ausstellungsräume - mit etwas detektivischem Gespür Moegelins Stationen künstlerischer Inspiration grob rekonstruieren. Davon, dass neben Paris, Südfrankreich, den Kanaren, aber auch Rügen und Hiddensee vor allem die Karibik nachhaltig auf die Imagination des Künstlers einwirkte, davon geben vor allem die im Erdgeschoss gezeigten neueren Bilder Rüdiger Moegelin beredte Kunde. Sie verströmen die Exotik einer beinahe aggressiv anmutenden Farbigkeit und symbolaufgeladenen Bildsprache, die den Betrachter in eine andere Dimension entführen. Ob nackter Mensch, Adam und Eva, ob Schlangengetier, Satyrn, Faun oder das ewige Spiel mit der Maske: es ist eine Welt der Fabel und des Mythos’, in der sich Motive aus der Schöpfungsgeschichte mit der Farbigkeit der Karibik, wo sich der Dschungel mit dem ewigen Paradies und die Sehnsucht nach erotischer Begegnung mit den Blick in seelische Abgründe mischen. Die Farbigkeit der Bilder, Holzobjekte und Paravents suggerieren eine Fröhlichkeit, die jedoch bei genauerem Hinsehen völliger Ernüchterung weicht. Gerade in jenen Bildern, in denen der Künstler der Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern nachgeht, wird der Betrachter Zeuge einer beunruhigenden Beziehungslosigkeit: Wo sich Blicke treffen, Körper berühren könnten, baut der Künstler immer wieder Fische ein, die mit weit aufgerissenen Mäulern und spitzen Raubtierzähnen zu heimtückischen Angreifern werden. Die Vorstellung von „Fressen und Gefressenwerden“, so auch der Titel einer Bildserie, gerät hier zur Obsession.
Fazit: Wer der Versuchung nachgibt und sich in der Ausstellung auf die Suche nach der „Kunst der Verführung“ begibt, bekommt zwar allerhand zu sehen und auch zu rätseln. Arkadische Zustände und Südseezauber à la Gauguin sollte man allerdings nicht erwarten. Die aktuellen Bilder Rüdiger Moegelin verharren in einem seltsamen Schwebestand zwischen sperriger Symbolik und Trivialität. Die für den Maler charakteristische dekorative Manier und die Intensität seiner Farbpalette werden hier fast zum Exzess getrieben.
Wir begegnen der fortwährenden Suche eines Künstlers nach Ursprünglichkeit, eine Reise diesmal, die ihn auf sich selbst zurückverweist.
Schloss Sacrow, bis zum 30.Juni. geöffnet Sa/So 12-18 Uhr, Eintritt: 2 euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.
Almut Andreae
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