
© Manfred Thomas
Kultur: Die Kunst der Worte
Die Ausstellung „Die Welt farbig sehen“ widmet sich auch dem Tagebuchschreiber Siegward Sprotte
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Am Samstag eröffnet im Potsdam Museum unter dem Titel „Die Welt farbig sehen“ eine große Retrospektive zum 100. Geburtstag des Potsdamer Malers Siegward Sprotte. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern wird Sprottes Lebenswerk in seiner Komplexität gezeigt: 175 Arbeiten des Künstlers, die von 1929 bis 2003 entstanden sind. Mit Beiträgen in loser Reihenfolge stimmen die PNN auf diese Ausstellung ein.
Von dem Editionsprojekt hat sich Jutta Götzmann vorerst verabschiedet. Auf der einen Seite war der Zeitaufwand für das Transkribieren von zwei ausgewählten Tagebüchern von Siegward Sprotte größer als anfangs erwartet. Auf der anderen fehlt ganz einfach das Geld für eine solche Veröffentlichung. Somit bietet für die Direktorin des Potsdam Museums die Ausstellung „Die Welt farbig sehen“ jetzt eine erste, begrenzte Möglichkeit, sich dem Maler Siegward Sprotte, seiner Kunst und vor allem auch seinem Kunstverständnis über seine Tagebuchaufzeichnungen zu nähern.
Im Alter von 13 Jahren begann Siegward Sprotte im heimatlichen Bornstedt mit dem Führen eines Tagebuchs. Das war im Jahr 1927. In diesen jungen Jahren sind es vor allem religiöse Fragen, die Sprotte beschäftigten und mit denen er sich unter dem Motto „Mensch und Gott“ auseinandersetzt. Aber schon als Fünfzehnjähriger äußert er den konkreten Wunsch, Maler zu werden und sich zeitlebens mit der Kunst zu beschäftigen. Die letzen Einträge seines ersten, 141 Manuskriptseiten umfassenden Tagebuchs verfasst Siegward Sprotte kurz vor dem Abitur am 3. November 1930. „Durch die Ausstellung bin ich mir über vieles klar geworden. Dadurch, daß ich die besten Bilder aus den letzten 1 ½ Jahren alle auf einmal in einem großen Raum sah, habe ich wieder ein ganz klares Urteil über mich selbst bekommen, der ich ja nun als junger Künstler gelte. Mir hat keins meiner Bilder wirklich gefallen. Aber ich habe ein klares Ziel vor Augen. Und das befriedigt und macht sicher“, schreibt er über seine Ausstellung im Zeichensaal des Realgymnasiums Potsdam, das heutige Einstein-Gymnasium.
Jutta Götzmann überraschte in der Auseinandersetzung mit den frühen Tagebüchern Sprottes dessen Klarheit und Zielstrebigkeit, was seine Zukunft als Maler betrifft. Wie stark er schon in jungen Jahren reflektiert hat, wie er sich mit der Kunst auseinandersetzen will. Neben 15 Manuskriptseiten aus dem ersten Tagebuch werden 15 weitere Seiten aus dem zweiten Tagebuch, das Sprotte von 1932 bis 1940 und dann wieder von 1946 bis 1947 geführt hat, für die Besucher in einer Medienstation präsentiert. So kann man die originalen Eintragungen in Sütterlin betrachten und daneben die Transkriptionen lesen. Denn, so Jutta Götzmann, die Tagebücher und Manuskripte sowie weitere persönliche Aufzeichnungen Siegward Sprottes sind für das Verständnis des künstlerischen Werdegangs und des eigenen Selbstverständnisses essenziell.
Tagebuch zu schreiben war für Sprotte zeitlebens eine wichtige Beschäftigung, die er vor allem in seinen späteren Lebensjahren intensivierte. Wie viele Tagebücher Sprotte in seinem Leben gefüllt hat, kann Jutta Götzmann nicht sagen. Allein die Sprotte-Stiftung mit Sitz in Bornstedt besitzt mehr als 20. Als Jutta Götzmann vor drei Jahren mit den ersten Planungen für die Jubiläumsausstellung des Malers begann, wollte sie auch diese Tagebücher mit einbeziehen. Zwar waren ihr die Texte daraus unbekannt, doch kannte sie Veröffentlichungen aus Sprottes Ateliergesprächen und wusste daher auch um die Stärke des schreibenden Sprottes, für den die Auseinandersetzung mit der Literatur ein ständiges Lebensthema war. Im Sommer 2010 sprach sie mit der Witwe von Siegward Sprotte in Kampten auf Sylt über ihre Idee und stieß sofort auf Unterstützung. So brachte sie die ersten beiden Tagebücher des Malers mit nach Potsdam.
Hebbel, Nietzsche und immer wieder Goethe liest der junge Sprotte und schreibt darüber in seinen Tagebüchern. Aber er berichtet auch über seine Akademiejahre in Berlin, den Einfluss des Werderaner Altmeisters Karl Hagemeister auf seinen Blick in die Natur und die Kunst, diese nicht einfach nur als Abbild darzustellen. Gleichzeitig finden sich hier aber auch Notizen zu Ausstellungen zeitgenössischer Künstler, deren Arbeiten Sprotte recht kritisch gegenüberstand. „Er war offen für aktuelle Strömungen in der Kunst, hat sich davon aber nie beeinflussen lassen“, sagt Jutta Götzmann. Und so finden sich in den Tagebüchern auch Anmerkungen zu seiner Auseinandersetzung mit den alten Meistern, die sehr prägend für ihn waren. Doch neben all diesen für die künstlerische Entwicklung so wichtigen Hinweisen sind es wie in fast allen Tagebüchern die persönlichen Momente, die sie so wertvoll machen: „Letzten Sonnabd. vor meiner Abreise hier nach Rügen bei Hagemeister. Er erzählte mir, daß einzelne Zeitungen ihm wieder Aufsätze über ihn geschickt hätten. „Die sollen mich bloß in Ruhe lassen! Ick bin berühmt in der ganzen Welt. Nu is aber och jut! Nu soll'n se mich zufrieden lassen! Ich bin so runter mit meinen Nerven, ich muß meine Ruhe haben.“ Als ich ihm sagte, daß ich auf Rügen diesmal mit dem Bleistift zeichnen wollte, sagte er: „Det machen Se nicht! Nehmen Se Kreide!“ Als ich ihn fragte, weshalb, ob Kreide lebendiger wäre: „ja. Und wenn Se bei so einer Bleistiftzeichnung einen Schritt zurücktreten, sehen Se nischt mehr! – Und wenn Se malen, nicht unter einem Meter, nicht so ne klenen!“ Ich hatte diesmal das Gefühl der Altersschwäche bei Hagemeister sehr stark.“
Dirk Becker
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