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Kultur: Die Kunst des Klagens

Lamenti von Claudio Monteverdi im Raffaelsaal

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Lamenti von Claudio Monteverdi im Raffaelsaal Ein bisschen depressiv konnte man schon werden bei den Lamenti von Claudio Monteverdi und Giaches de Wert, die gestern im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci erklangen. Wenn da nicht die vollendete Kunstfertigkeit gewesen wäre, mit der Dichter und Komponisten die unendlich traurigen Klagen über den Verlust verlorener Liebe sublimiert hätten. Doch nicht zuletzt die bewundernswerten Sangeskünste des Ensemble européen William Byrd verwandelten das Jammern und Zagen in reinen Kunstgenuss – zumindest für Liebhaber der Werke vom Übergang der Renaissance zum Barock. Mit seiner „Seconda Prattica“ hat Claudio Monteverdi die Vokalmusik bereichert wie kein anderer zu seiner Zeit. Nicht länger sollte die Musik die Dienerin des Wortes sein, sondern vielmehr „das Wort die Geliebte der Harmonie“ wie der Bruder des Komponisten, Giulio Cesare Monteverdi, formulierte. So entstand aus den harmonisch ausgewogenen Polyphonien der Renaissance ein überaus bewegter, affektreicher Gesangsstil, der „stile recitativo“. Jedes Wort wird expressiv gedeutet, was die bis dato üblichen musikalischen Techniken beträchtlich erweiterte. Aus heutiger Sicht muten die Kompositionen jedoch recht kompliziert an, vor allem weil ihnen melodisch-gesangliche Schlichtheit fehlt. Als Prototyp der neuen Kompositionstechnik gilt Monteverdis „Lamento der Ariadne“, das in seinen drei überlieferten Versionen erklingt. Die von Theseus verlassene Ariadne beklagt ihr Schicksal mit allen ihr zur Verfügung stehenden emotionalen und musikalischen Registern. Der Mezzosopranistin Els Janssens obliegt der schwierige Part mit solch einem ausgeklügelten Lamento das Konzert zu eröffnen. Widerhaken meistert sie mit klug geführter Stimme. Ohne Probleme brachte Monteverdi das Lamento im geistlichen Gewand als „Pianto della Madonna“ heraus. Die ihren toten Sohn beklagende Muttergottes wird von Brigitte Vinson mit glanzvoller Stimme gesungen. Es entsteht ein anrührendes Bild der schmerzensreichen Madonna, deren Liebe bis ins himmlische Jenseits reicht. Derlei neoplatonische Ideen finden sich vor allem in der christlichen Lyrik der Renaissance, im mythologischen, sprich weltlichen Bereich heißen die letzten Verse Ariannas schlicht: „So geht es dem, der zu sehr liebt und zu sehr glaubt.“ Fünfstimmig gesungen klingt das Lamento delikat und fein ausbalanciert, aus den kühnen Verschränkungen der Stimmen ragt immer wieder das Wort „amor“ heraus – so zeigt die Liebe rein musikalisch, dass sie der Meister des Geschehens ist. Wie es auf dem Weg zur Oper vorangeht wird in den „Klagen der Nymphen“ deutlich, einem virtuosen Wechselgesang zwischen der großartigen Solistin Brigitte Vinson und dem Herrentrio, das viel Beifall erhält. Als Vorgänger der meisterlichen Vertonung von Poesie steht Giaches de Wert dem berühmteren Monteverdi kaum nach, wie die Vertonungen von Gedichten Torquato Tassos beweisen. Die sublime Interpretation des Ensemble européen unter der Leitung von Graham O´Reilly setzt diese lyrisch-expressiven Verse brillant ins Licht.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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