
© In+Out Records
ZUR PERSON: „Die Leute sagten: Ach, dem ist das alles egal“
Was will ein Musiker mir denn sagen, wenn er improvisiert?“ Ich würde mal sagen: Ja. Denn ich habe einen Vertrag, und Sie haben keinen.“ Trotzdem hatte Paul Kuhn Erfolg: Ein Gespräch mit dem 83-jährigen Pianisten und Sänger, der am Montag mit seinem Trio im Thalia Filmtheater auftritt
Stand:
Einfach nur legendär...“ ist der Besuch am kommenden Montag im Thalia Kino überschrieben. Zu Gast ist das Paul Kuhn Trio. „Man muss wohl (fast) niemandem erklären, wer Paul Kuhn ist. Der Mann am Klavier ist schlicht eine Legende der Musikbranche“, heißt es selbstbewusst in der Pressemitteilung des Kinos. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn erwähnt man den Namen Paul Kuhn, sorgt das vor allem bei Jüngeren für den bekannten fragenden Blick. Der Hinweis auf den Schlager „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ macht aus dem fragenden einen äußerst skeptischen Blick: Der soll eine Legende sein? Oh ja, und Schauspieler und ein ganz hervorragender Jazzpianist.
Herr Kuhn, in einem Fernsehinterview haben Sie einmal gesagt: „Als der Jazz in mein Leben kam, habe ich gesagt, das ist meine Musik.“ Was genau ist damals passiert?
Was sind Sie für ein Jahrgang?
1971.
Ja gut, dann können Sie das nicht wissen. Im Grunde ist der Jazz in mein Leben gekommen, wie bei so vielen Leuten auch: nach dem Krieg. Da die Nazis das ja verboten hatten, waren die Leute scharf darauf zu wissen, was das überhaupt ist. Ich hatte natürlich auch vorher schon heimlich die verbotenen Sender abgehört. Nicht wegen der Nachrichten, die waren mir egal. Es ging um die Musik.
Was genau haben Sie damals gehört, das Sie so entscheidend geprägt hat?
Das war die Bigband von Glenn Miller. Das muss so 1943 gewesen sein. Die hatte damals Sendungen für junge Leute gemacht. Sendungen für die geknechtete deutsche Jugend, wie Miller das selbst gesagt hat. Und da hing ich mit beiden Ohren am Apparat. Aber das war ja kein reiner Jazz. Das war schöne und moderne, ich sag das jetzt mal ganz despektierlich, Schlagermusik. Das war toll, die Band war einfach fabelhaft und ich wusste auch, dass Miller eine andere Band hatte, mit der er nur Jazz spielte.
Und in einer dieser Sendungen hat er dann einen Jazzstandard gespielt und um Sie war es geschehen?
Nein, Miller spielte eine Bearbeitung einer Komposition von Verdi. Nicht dass ich die Klassik für Jazzarrangements besonders schön finde, aber dieses Verdi-Stück haben die geswingt, mit langem Schlagzeugsolo und so, da ging richtig die Post ab. Das hat mir so imponiert, dass ich mir gesagt habe: Wenn ich mal Musiker werde, und das wollte ich ja, dann nur so etwas.
Es kam dann, wie so oft, doch anders, wie die von Ihnen in den 50er und 60er Jahren gesungenen Schlager „Der Mann am Klavier“, „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ oder „Auf meinem Konto steht das Komma zu weit links“ zeigten. Was war passiert?
Ja, die kommerzielle Musik, die habe ich nicht nur gesungen und gespielt, die habe ich auch produziert. Das war die Zeit, als die deutschen Sender wieder bunte Abende brachten. Da war man halt gefragt und Geld wollte ich ja auch verdienen. Mit dem Jazz konnte ich das damals nicht, wirklich nicht. Ich habe ihn aber immer nebenbei gespielt, habe meine Schlager gemacht und versucht, ihn da ein wenig unterzuschmuggeln. Aber welcher Musiker kann schon das spielen, was er gerade möchte?
Wer sich Ihre alten Aufnahmen mit „Der Mann am Klavier“ oder „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ anhört, wundert sich schnell über Ihre Tonlage. Sie singen mit einer Gleichgültigkeit, als würden Sie kein Geheimnis daraus machen wollen, dass Sie im Grunde keine Lust auf diese Lieder haben.
Ich will mal so sagen: Ich habe das mit einer Gleichgültigkeit gesungen, die zufälligerweise ankam. „Der Mann am Klavier“ stammt ja von Nils Nobach. Der hatte mich in Berlin in der Femina-Bar spielen gehört und sagte zu mir, er hätte einen Schallplattenvertrag. Ich müsste aber auch das singen, was die gerne hätten. Und da war „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ mit dabei und „Der Mann am Klavier“. Ich habe dann gefragt: Muss das sein? Und Nobach sagte: Ich würde mal sagen: Ja. Denn ich habe einen Vertrag, und Sie haben keinen. Natürlich hat er mich nicht gezwungen, das ist dummes Zeug. Aber ich habe das mit einem gewissen Widerwillen gesungen. Aber genau das ist angekommen, die Leute haben das Gefühl gehabt: Ach, dem ist das alles egal. Mir war das auch egal. Und ich war dann überrascht und erfreut, dass das so richtig dicke Kasse machte. Das war ja Wochen in den Hitparaden, lief hoch und runter. Da habe ich gut Schallplatten verkauft. Und was will man mehr?
Jazz vielleicht?
Wissen Sie was, Jazz, wirklich nur noch Jazz spiele ich erst seit zehn Jahren. Alles andere war kommerziell. Was ich jetzt mache, ist natürlich auch kommerziell. Aber mir gefällt das besser.
Und gleichzeitig machen Sie mit der Musik eine kleine Filmkarriere, wie in „Schenk mir dein Herz“ zu sehen ist, der am Montag im Thalia Kino zu sehen ist. Sie spielen den Jazzpianisten Heinrich Mutesius, der einem kranken Schlagersänger wieder auf die Sprünge hilft. Wie viel Paul Kuhn steckt in diesem Bar-Pianisten Heinrich Mutesius?
Das ist jetzt nicht übertrieben, aber die Filmemacher hatten schon seit Jahren mit dem Gedanken gespielt, mich zu engagieren. Weil die gesagt haben, für diese Rolle kommt nur einer in Frage: Paul Kuhn. Das ist wie für ihn geschrieben. Dann haben wir ewig durch unterschiedlichste Verpflichtungen und Termine nicht zueinandergefunden. Aber sie blieben hartnäckig und dann haben wir gedreht. Aber ganz ehrlich, es war sehr anstrengend für mich. Texte lernen und so, das ist ja alles nicht so einfach. Ich bin ja schließlich auch keine 18 mehr. Aber der Film ist gut geworden und die Leute haben mich angenommen. Ich war bei mehreren Premieren mit dabei und es war immer so, dass ich von den Leuten Zwischenapplaus bekommen habe. Und das hat mich riesig gefreut.
Sie spielen einen Musiker, der einen anderen Musiker durch Musik heilt.
Ich stelle den Schlagerstar Alexander Ludwig, den der Peter Lohmeyer spielt, ein bisschen gerade, denn der hat ja durch einen Herzinfarkt sein Gedächtnis verloren. Er hat seine früheren Frauen vergessen, seine jetzige Frau und seine Freundin auch und wirft die alle durcheinander. Durch die Musik helfe ich ihm wieder auf die Sprünge. Wir sind da in einer Reha, ich wegen einer verletzten Hand, die aber fast schon wieder in Ordnung ist. Ich sitze in dem Raum, wo die Musiktherapie stattfindet, und spiele immer ein bisschen Klavier, ein bisschen Jazz. Das hört er und das gefällt ihm.
Der Jazz als Medizin. Trifft das auch ein wenig auf Sie zu?
Ich sehe mittlerweile furchtbar schlecht, erkenne kaum noch die Noten. Darum bin ich sehr froh, dass das Klavier, das mir ein Leben lang ein treuer Begleiter war, jetzt wirklich hilft. Mit dem Jazz hilft, weil ich da keine Noten brauche, das läuft alles so.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Jazz, Ihre Spielweise in all den Jahren verändert?
Wir älteren Jazzmusiker sind meist die etwas sparsameren Musiker. Und auch die wirklich Großen spielen sehr wenig, mal abgesehen von Giganten wie Oscar Peterson. Aber leider neigen Pianisten oft dazu, die Tastatur rauf und runter, rauf und runter zu spielen. Aber ich sage immer: Was will ein Musiker mir denn sagen, wenn er improvisiert? Dann will er mir doch sagen, wie er sich fühlt oder was er von dem Stück hält, das er da gerade spielt. Wenn einer aber nur rauf und runter spielt, kann er mir eigentlich nur sagen, dass er in der Jugend sehr viel geübt hat. Aber das interessiert mich nicht.
Und wie fühlt sich Paul Kuhn heute, wenn er am Klavier improvisiert?
Einfach wunderbar. Manchmal ist die ganze Reiserei zwar etwas anstrengend. Wenn aber alles gut organisiert ist, ist alles fabelhaft, dann geht es mir gut. Ich kann Jazz spielen. Glauben Sie mir, ich bin ein glücklicher Mensch.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Das Paul Kuhn Trio ist am kommenden Montag, dem 10. Oktober, um 20 Uhr im Thalia Filmtheater in der Rudolf-Breitscheid-Straße 50 zu erleben. Im Anschluss wird „Schenk mir dein Herz“ gezeigt. Der Eintritt kostet 20, ermäßigt 18 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 74 370 20. Die zahlreichen Aufnahmen mit dem Paul Kuhn Trio sind beim Freiburger Label „In+Out Records“ erschienen. Informationen unter www.inandout-records.com
Paul Kuhn, deutscher Pianist und Sänger, wurde 1928 in Wiesbaden geboren.
Als Schüler spielte Paul Kuhn auf dem Akkordeon im Wiesbadener Weinlokal „Eimer“, später wandte er sich dem Klavier zu. Ab den 1950er Jahren trat Paul Kuhn zunehmend auch mit gesungenen Schlagern in Erscheinung. Seine größten Erfolge waren „Der Mann am Klavier“ (1954) und „ Es gibt kein Bier auf Hawaii“ (1963).
Von 1968 bis 1980 leitete er die Bigband des Senders Freies Berlin. Für einen Neubeginn zog Kuhn nach Köln, gründete sein eigenes Orchester, das unter anderem Peter Alexander auf seiner letzten Tournee begleitete.
Seit zehn Jahren ist Paul Kuhn mit seinem Trio wieder im Jazz aktiv. Er lebt mit seiner Frau in Lenzerheide in der Schweiz. kip
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