Kultur: Die Macht der Worte
Das Stück für junge Leute „Frank (und frei))“ hatte in der Reithalle Premiere
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Wie gehetzt versucht sich Frank, seinen Weltschmerz von der Seele zu reden. Tagtäglich bekommt er es im Internet um die Ohren gehauen, das ganze Desaster dieses Planeten: Kriege, Gletscherschmelze, Ozonloch, Vogelgrippe, Schweinepest. Und all das Pornozeug, die Freakshow für Perverse, gibt es gratis dazu. Dabei möchte Frank eigentlich nur ein bisschen Spaß haben. Und sich auf seine Gefühle für Emma konzentrieren. Doch ungewollt muss er auch mit dieser Scheißwelt der Erwachsenen irgendwie klarkommen. Nur wie?
Das kanadische Jugendstück „Frank (und frei)“ von Brian Drader, das die Chefdramaturgin des Hans Otto Theaters, Ute Scharfenberg, ins Deutsche übertragen hat und das als Übernahme von Magdeburg seit gestern auch in Potsdam zu sehen ist, verhandelt durchaus spannende Themen. Doch der von Frank entfachte Redeschwall rollt anfangs wie eine Woge über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Es fällt schwer, die Wucht der aufgeworfenen Fragen zu kanalisieren. Friedemann Eckert jagt in der ersten Szene durch den Text und deklamiert mehr als er spielt. Auch Nora Wiel als Emma gelingt es nur bedingt, diesem weitsichtigen Mädchen, „das immer schon alles zu Ende gedacht hat“, Seele und Wärme einzuhauchen. Sie darf zwar viele kluge Sätze sprechen, wie: „Es ist verdammt leicht, mit dem Strom zu schwimmen, das heißt aber noch lange nicht, dass es richtig ist“. Oft wirken solche Statements aber eher hölzern wie Agitationstheater. Vor allem wenn sie in Richtung Zuschauer gesprochen werden. Zu wenig wird die eigene Unsicherheit Emmas deutlich. Die moralisierenden Passagen schmälern die Dramatik des Stückes. Die wird vor allem geschürt, wenn es zwischen Schüler- und Lehrerwelt zu eskalieren droht. Denn in der Schülerzeitung, die die als „frigide Zicke“ von ihrer Mitschülern abgestempelte Emma so korrekt leitet, erscheint ein anonymer Leserbrief, der einen der ungeliebten Lehrer Maß nimmt. Dass er überhaupt abgedruckt wurde, liegt an Frank, Emmas Redaktionsassistenten, der es in seinen chaotischen Gefühlsaufwallungen versäumte, ihn rechtzeitig herauszunehmen. Nun droht die Direktorin damit, die Schülerzeitung einzustellen. Doch darf sie das, wo es sich doch um ein Gremium der Schüler und nicht der Lehrer handelt? Emma will nicht klein beigeben, argumentiert auf Augenhöhe mit den Erwachsenen und zieht doch den kürzeren. Die „rettende“ Idee kommt von Frank: Warum nicht das Internet als zensurfreies Portal nutzen? Dort kann doch jeder seinen Ballast abwerfen. Aber wie geht man damit um, wenn man plötzlich selbst durch scharfe Worte getroffen wird? „Worte haben Macht. Sie können verletzen!“, sagt die Direktorin ohne falsches Pathos (Sabine Scholze). Und das bekommen nun auch Emma und Frank zu spüren.
Doch gerade dieses Postulat, den anderen – auch den Lehrer – ernst zu nehmen, konterkariert die Inszenierung von Nina Mattenklotz, wenn sie den angegriffenen Chemielehrer wie ein Kleinkind mit ferngesteuertem Auto auffahren lässt. Da wird die Figur von René Schwittay, der in anderen Inszenierungen mit seinen Darstellerleistungen sehr für sich einnahm, zur Lachnummer degradiert. Auch den Stiefvater von Frank, einem Ex-Hippie, kann Schwittay nur bedingt formen. Zu wenig geben ihm Stück und Regie an die Hand. Er gibt den philosophierenden Freund, der immerhin nicht den großen Belehrer herauskehrt, sondern versucht, das Selbstbewusstsein des sich oft so klein fühlenden Franks zu stärken. „Bleib einfach auf deinem Floß und entspann dich“, rät er lakonisch.
Bewegung kommt auf die von Silke Rudolph gebaute, schnell veränderbare Bühne, wenn schwarze Wände aufgebaut, abgetragen und wieder errichtet werden. Und wenn die gekränkte Emma ihren Frust wütend herausboxt. Doch Wut und Verzweiflung bleiben auch hier mehr behauptet als gefühlt. Und der Versuch von Frank, die Zuschauer mit ins Boot zu holen, und mit ihm gemeinsam die Losung zu rufen: „Wir sind hier. Wir sind laut, weil man uns die Meinung klaut“, scheitert nicht überraschend.
Es gibt auch witzige Ideen, wie die der sprechenden Schulzeitung. Immer wieder kommt darin ein Mädchen zu Worte, die ihre Mitschüler mit allem Nachdruck – und sei es mit Keksen – für ihr Pflanzenprojekt begeistern möchte. Sie bleibt auf verlorenem Posten. Anders als Emma und Frank.
Die berührendsten Momente entstehen beim Innehalten, bei der leisen körperlichen Annäherung. Die manchmal den Umweg bis nach Afrika braucht. Denn bei allem Verdruss über die böse Welt, die Liebe lebt. Heidi Jäger
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