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Hauptsache, es schmeckt. Hawk in der Rolle des gestiefelten Haustigers.

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Kultur: Die mit dem Kater tanzen

Farne, Fledermäuse und eine Prinzessin im Ballett für die ganze Familie: „Der gestiefelter Kater“ im HOT

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„Erwachsene denken zu viel nach. Zum Beispiel, ob das nun Igel sein sollen. Da wissen die Kinder schon längst: Na klar sind das Igel! Kinder lassen sich einfach auf das ein, was da vorn auf der Bühne passiert“, sagt Marita Erxleben. Gerade hat sie mit ihren Ballettschülern und einigen professionellen Tänzern zum wiederholten Mal ein Familienstück erarbeitet, Choreografie und Inszenierung kommen aus ihrer Hand. Am gestrigen Montag hatte „Der gestiefelte Kater“ im Hans Otto Theater Premiere, kullerten die kleinen Igel zum ersten Mal über die große Bühne.

Die Stärke von Marita Erxlebens Inszenierungen, die noch regelmäßig vor den Sommerferien im Spielplan auftauchen, besteht darin, dass alle Eleven, etwa ab dem fünften Lebensjahr, in eine Rolle schlüpfen, und sei sie noch so klein. Das sind 650 Kinder insgesamt, etwa 130 in jeder der 5 Besetzungen, die in Windeseile umgezogen, frisiert und geschminkt werden müssen. Dann überraschen sie mit so einfallsreichen Kostümen wie denen der Igelfamilie, die ein Stachelfell aus braunen Badezimmerflokatis bekommen haben. Die größte Herausforderung habe aber darin bestanden, so Marita Erxleben, die Geschichte ohne Worte einem gemischten Publikum, das sich nur noch vage an Einzelheiten aus dem Märchen erinnert, verständlich zu machen. Wie so oft im Ballett kommt etwas dazu, die vielen Balletteleven wollen schließlich zeigen, was sie können, und ganze Heerscharen von Häschen und Eichhörnchen, Bibern und Gänsen wuseln über die Bühne, müssen auf die Musik hören und ihren Einsatz finden. Dazwischen die Hauptakteure: Jacob, ein wenig schüchtern, ein Müllersbursche eben, den erst der schmucke, fesche Kater aus der Reserve lockt.

Mit Vadim Rzaev als Jacob wurde ein Solist der Leipziger Oper verpflichtet, Breakdancer Hawk als Kater sollte den Potsdamern aus vorherigen Produktionen der freien Tanzszene bekannt sein. Zwei unterschiedliche Charaktere dürfen sich hier ausleben, Hawks Coolness mit akrobatischen Einflüssen und Breakdance-Elementen kommt bei den Kids immer gut an. Jacob kann erst später punkten, wenn er die Prinzessin für sich gewinnt, und dann vermutlich stärker bei den weiblichen Fans im Publikum. Die Rollen von Prinzessin und Zauberin teilen sich abwechselnd Davina Wölfle, Absolventin der Musikhochschule Köln, und AnastasiyaYakymenko, Absolventin der Staatlichen Ballettschule Berlin und Pädagogin im Ballettstudio Erxleben. Gemeinsam mit den älteren Mädchen geht es da ans Eingemachte: Dorfmädchen und Hofdamen tanzen in Spitzenschuhen, ehrfürchtiges Raunen auf den Rängen begleitete gestern den Auftritt.

Was so leicht aussieht, ist harte Arbeit und klappt nicht immer, aber das Lächeln in den Gesichtern der Mädchen geht nie verloren. Doch auch scheinbar Unbedeutendes wird choreografisch einfallsreich umgesetzt: Sogar die Farne im Wald, in denen Jacob und Kater Rebhühner fangen, sind Kinder, und wie man einst im Biologieunterricht gelernt hatte, rollen und recken sich die grünen Wedel langsam dem Sonnenlicht entgegen. Die Geschichte nimmt natürlich das von den Gebrüdern Grimm vorgezeichnete gute Ende: Dank der Rebhühner öffnet sich Kater und Jacob die Tür zum Königshof, und irgendwie lotsen sie Prinzessin samt Hofstaat zum Schloss der bösen Zauberin. Dabei müssen die Kinder helfen, plötzlich ein Getöse im Saal, der Kater tobt mit seinen Siebenmeilenstiefeln durch’s Parkett und verteilt Wegweiser. Durch den dunklen Wald und einen Schwarm Fledermäuse, hier kommt die einzige Jungsklasse zum Zuge – Batman lässt grüßen – geht es zur Zauberin, um die Wölfe zu erlösen.

Spätestens hier ist klar, dass Ballett eine spannende Dimension jenseits von rosa Tüll besitzt, die Raubtiere außerdem in fantastischen Kostümen, dass es Eltern schwer fallen dürfte, ihre Kinder zu erkennen. Mit dem herzlichen Schlussapplaus waren sämtliche „Bauchschmerzen“ der anstrengenden Probenzeit, die, so Erxleben, hin und wieder spontan kleinere Tänzer befallen konnten, vermutlich vergessen.

Wieder am 8., 9. und 10. Juni, jeweils 10 Uhr, im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse

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