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"Fall into place" von Laura Heinecke an der fabrik Potsdam.

© Göran Gnaudschun

Neues Stück von Laura Heinecke: Die mit der Sprache tanzen

Die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke sucht in ihrem neuen Stück „Fall into place“ nach Wahrheit – und übersieht dabei fast den Tanz.

Potsdam - Lange hat dieses Stück auf seinen Auftritt warten müssen. Im November vor einem Jahr wollte die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke mit „Fall into place“ an der fabrik Premiere feiern. Eine Pandemie kam bekanntlich dazwischen, das Stück wurde verschoben, zerpflückt, teilaufgeführt und gestreamt. Und als es am Donnerstagabend endlich analog auf die Potsdamer Bühne kommt, beginnt es, als hätte es alle Zeit der Welt. Bewegungslos.

Die Bühne ist schwarz, nur eine Stimme ertastet sich den Raum. Sie gehört Magdalena Weber, die mit Emma Charlott Ulrich das Schreibkollektiv PeterBarbara bildet und den Text verfasst hat. „Hier liege ich und kann nicht anders“, heißt es mehrmals. 

Verstopfung im Bauch, Verstopfung in der Kehle

Der Text schraubt sich in einen bewegungslosen Körper hinein, bis in die Nervenbahnen im Hirn und die Verstopfung im Bauch. Obwohl offenbar beides auf wundersame Weise zusammenhängt: Verstopft ist nicht nur der Darm, heißt es im Text weiter, sondern auch die Kehle. Eine Wahrheit will nicht heraus – weil der Kopf gar keine kennt.

So geht das eine ganze Weile, potenzieller Tiefsinn paart sich im Text mit unterschwelligem Humor, und erst langsam werden drei Körper auf der Bühne sichtbar. Sie liegen auf einer Schräge. Sie rutschen, millimeterweise, hinab. Bis sich eine der drei (Aura Antikainen) löst, in die Bühnenmitte stellt, die Sprech-Stimme schweigt und endlich, die Körper beginnen zu reden: eine Erleichterung. 

Auch das Licht spielt mit

Mit den Körpern gerät auch das Licht in Bewegung, neben Sprache und Tanz ein Hauptelement in dieser Choreografie. Auf der Brandmauer der Bühne reißen rechteckige Formen Muster in das Licht, bilden Rahmen, Fenster, Türen. Verändern die Perspektive auf die Körper der drei Tänzerinnen: von einer Sekunde zur nächsten wirken sie riesenhaft oder winzig. Hier ahnt man, warum die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke ihr Stück „Fall into place oder was wa(h)r ist“ genannt hat: Alles ist hier eine Frage der Betrachtung – und des Kontexts. Nichts unverrückbar, alles im Fluss.

Die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke.
Die Potsdamer Choreografin Laura Heinecke.

© Andreas Klaer

Teilweise entstehen Bilder von berückender Schönheit. Wenn Sarantoula Sarantaki vor einem Scheinwerfer im entlegensten Winkel der Bühne steht und ihr Schatten übermächtig den Raum erobert, die Arme zu riesenhaften Schwingen werden. Wenn die Videoprojektionen genutzt werden, um eine der Tänzerinnen dutzendfach zu multiplizieren: Tja, welche Facette ist nun die echte? Oder wenn Laura Heinecke mit dem gleichen Verfahren von oben auf dem schwarzen Bühnenboden gefilmt wird: ein zappelndes, galoppierendes Etwas im lichtleeren Raum. Da hätte es den Beatles-Song „Across the universe“ gar nicht gebraucht.

Die Grenzen des Tanzes mit Sprache überwinden?

„Irgendwer sagt schließlich immer irgendwas“, weiß die Stimme gegen Ende. Das ist lustig und banal und in seiner Laxheit „irgendwie“ wahr – und doch wäre der Abend ohne so viel verbale selbstironische Möchtegern-Weisheit noch ein bisschen weiser gewesen. Laura Heinecke hatte bei einem Werkstattgespräch erklärt, sie wolle „mit Sprache die Grenzen des Tanzes überwinden“.

„Fall into place“ sieht sich eher wie eine Beweisführung für das Gegenteil: Wie ambivalent Bewegung im Gegensatz zu Worten sein kann. Und dass sie das Wenige, was man weiß, bestenfalls so vielschichtig zu fassen vermag, wie Sprache es nicht könnte. Aber zum Glück: Auch davon weiß „Fall into Place“ eine Menge zu erzählen.

„Fall into place“, wieder am 22. und 23.10 um 20 Uhr sowie am 24.10. um 18 Uhr in der fabrik, Schiffbauergasse

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