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Finnische Akzente: Das Meta4 Quartett gilt als kontrastreich und spannungsvoll - und das beim Schwerpunkt Wiener Klassik!

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Kultur: Die nackte Kunst

Der Nikolaisaal widmet dem Thema Streichquartett eine ganze Nacht seiner Reihe „Alles Beethoven“

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Sinfonien, Klaviersonaten und Streichquartette – dieser Dreiklang der musikalischen Gattungen begleitete Ludwig van Beethoven sein Leben lang. In ihnen fand er seine eigene Sprache, tüftelte an Formen, Farben und Techniken und entwickelte Neues. Zu den insgesamt 300 Werken, die er komponierte, gehören achtzehn Streichquartette. Sein erstes komponierte er mit 29 Jahren. Es hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Und so war die letzte Komposition, die er wenige Monate vor seinem Tod 1826 vollendete, ebenfalls ein Streichquartett.

„Kraftwerk Beethoven“ lautet der Titel der Potsdamer Streichquartett-Nacht am Samstag im Nikolaisaal. Sie gehört zur diesjährigen Saison-Veranstaltungsreihe „Alles Beethoven“, die mit einem Klaviersonaten-Wochenende Ende August/Anfang September begann und die im Februar 2014 mit einem Mammutprogramm, bei dem alle neun Sinfonien durch die Kammerakademie Potsdam erklingen, ihr Finale findet.

Mozarts Sonne überstrahlte gewiss die Welt des Streichquartetts. Beethoven hielt sich auf diesem Gebiet lange in Mozarts Schatten verborgen. Carl Maria von Weber schrieb über die Gattung des Streichquartetts „Das rein Vierstimmige ist das Nackende in der Tonkunst.“ Sein Schaffen nackt zu zeigen, also ohne Blendwerk, wagte der längst erfolgreiche Beethoven erst spät, mit 29 Jahren. Im Jahre 1798, nach ausgiebigem Zögern, nahm Beethoven von dem musikbegeisterten Fürsten Lobkowitz den Auftrag an, eine Serie von sechs Streichquartetten (op. 18) zu komponieren. Die ersten Aufführungen fanden im exklusiven privaten Rahmen statt – man musizierte aus handschriftlichen Noten. Gräfin Josephine von Deym berichtete: „Dann ließ uns Beethoven, als ein wahrer Engel, seine neuen, noch nicht gestochenen Quartette hören, die das Höchste ihrer Art sind.“

Gleich drei Streichquartett-Formationen kommen am Samstag in den Nikolaisaal, darunter das international besetzte Chiaroscuro Quartet. Die Kritik schreibt über das Ensemble, es rücke mit einem selbstverständlichen Bekenntnis zur historischen Aufführungspraxis die Werke von Mozart, Beethoven und Schubert in ein anderes Licht. Hoch interessant könnte auch die Begegnung mit den jungen Musikern des finnischen Meta4 Quartett werden. Seit seiner Gründung 2001 beschäftigt es sich vorrangig mit der Wiener Klassik – und gewann bedeutende Preise beim Schostakowitsch-Wettbewerb 2004 sowie beim Haydn-Kammermusikwettbewerb Wien 2007.

Neue musikalische Felder zu erobern und Konventionen zu brechen, dafür steht seit 25 Jahren das Balanescu Quartet aus London. Neben Werken des rumänischen Primarius Alexander Balanescu spielt es auch Klassiker der Düsseldorfer Band „Kraftwerk“. Die Band wurde von der New York Times als „Beatles der elektronischen Tanzmusik“ bezeichnet. Ihre große Vielseitigkeit beweisen die Londoner Musiker schließlich mit der Interpretation von Beethovens Großer Fuge in B-Dur op. 133, ein rätselhaftes Werk, das das Publikum bei der Uraufführung am 21. März 1828 schockte und überforderte. Die ursprünglich als Finalsatz des Streichquartetts B-Dur op. 130 gedachte Fuge beunruhigt und bewegt auch heute noch.

Als Eingangstor in seine Streichquartett-Welt werden die sechs Werke, die man unter op. 18 findet, bezeichnet. Der Samstagabend beginnt mit dem Quartett Nr. 4 – es wird jeweils von Meta4 und dem Chiaroscuro Quartet gespielt. Daraus ergeben sich spannende Einblicke in verschiedene und gemeinsame interpretatorische Auffassungen, die für Moderator Clemens Goldberg Anlass sein werden, eine kontroverse Diskussion anzuzetteln. Streichquartett à la carte heißt das Angebot danach. Die Wahl wird vielleicht auch hier zur Qual. Im Foyer erklingen Mozarts Quartett in Es-Dur KV 428 sowie Beethovens Streichquartett f-Moll op. 95, gespielt vom Chiaroscuro Quartet. Der Komponist schrieb das Werk 1810, nachdem die 19-jährige Therese Malfati seinen Heiratsantrag abgewiesen hatte. Die ganze Enttäuschung und Bitterkeit über die Zurückweisung spiegelt sich in dieser Musik wider. Wegen seines bekenntnishaften Charakters wurde es ungewöhnlich lange zurückgehalten und kam erst 1814 zur Aufführung.

Meta4 stellt zur selben Zeit im Großen Saal drei Divertimenti von Benjamin Britten und das Streichquartett Nr. 1 von Sebastian Fagerlund vor, einem der interessantesten jungen finnischen Komponisten unserer Zeit. Die Kritik schreibt über ihn, in seinen Werken finde man „einen ausgeprägten Sinn für instrumentale Virtuosität und spieltechnisches Handwerk. So entstehen musikalische Dramen, in denen sich kraftvolle Expressivität mit Intensität und zu einer verständlichen Tonsprache verbinden“. Natürlich findet man auch Beethoven mit seinem Streichquartett F-Dur op. 135 auf dem Programm. In seinen vier knappen Sätzen sowie dem Divertimento-Ton im ersten Satz erinnert das Werk, das sein letztes Streichquartett wurde, an die Tradition seiner großen Vorbilder Haydn und Mozart. Das Balanescu Quartet vereint zum Ausklang der Streichquartett-Nacht die Zuhörer im Großen Saal, um den sich in ständiger Bewegung befindendem Klangkosmos folkig und experimentell zu bereichern. Und selbstverständlich ist Beethovens mit von der Partie, mit der Großen Fuge.

2. November, Nikolaisaal, 18 Uhr: Goldbergs Quartett-Duell, 20 Uhr Streichquartett à la carte, 22 Uhr: Große Fuge auf der Autobahn. Eintritt: 25 Euro.

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