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Vom Ende. Thomas Heises Film beschreibt die Arbeit im Krematorium.

© promo

Kultur: Die Ökonomie des Todes

Thomas Heise über seinen Film „Gegenwart“

Stand:

Wenn Thomas Heise in seinem Dokumentarfilm „Gegenwart“ den Alltag in einem Krematorium aufzeigt, so kommt er dabei – wie zuvor schon in „Sonnenfinsternis“ – wieder ohne erklärende Worte aus. Die Bilder von Öfen, Rohren, Anlagen, Schaltungen und dazwischen mit großer Normalität sich bewegenden Menschen, die er dafür findet, erscheinen größtenteils unspektakulär. Dennoch vermag „Gegenwart“ (2012), der am Dienstagabend im Kino „Thalia“ in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ lief, den Zuschauer zu verstören.

Gewiss ist das bei einem Film, der sich mit dem Thema Tod beschäftigt, an dem – wie Moderatorin Jeannette Eggert es formulierte – vieles mit Tabus belegt ist und Emotionen wie Pietät und Trauerbewältigung immer mitschwingen, keine Überraschung. Es ist gerade diese beinahe banal wirkende Normalität, die sichtbar gemachten Strukturen eines effizient durchgeführten technologischen Prozesses, hinter dem alle Gefühle verschwinden, die zu erschrecken vermag: „Wenn das alles so effektiv funktioniert, was bleibt dann noch übrig vom Menschen? Das ist der Gedanke, der mir in den Kopf kommt“, sagte Regisseur Thomas Heise.

Der Auslöser für diesen Film seien die „unendlichen Berge von Särgen“ gewesen, die er bei der durch eine befreundete Schauspielerin vermittelte Besichtigung des Krematoriums in der Halle gesehen habe. Dort erfuhr er auch, dass der Betrieb an 365 Tagen rund um die Uhr laufe. Innerhalb einer Woche zwischen dem 24. Dezember und dem 1. Januar drehte er mit seinem Kameramann Robert Nickolaus die präzisen Abläufe: „Man soll sehen, dass es sich um eine kleine Fabrik handelt, die da im Wald steht, und die in diesem Fall Särge verarbeitet, die zu Urnen werden. Das sind Produkte. Und es dauert nur drei Tage. Diese Garantie gibt das Krematorium und deshalb ist es so gut mit Aufträgen versorgt.“

Jeannette Eggert verwies darauf, dass ihr aufgefallen sei, es gäbe für alles eine Maschine und fragte den Filmemacher auch nach der Vision für den eigenen Tod. „Ich treffe da gar keine Wahl“, antwortete Thomas Heise. „Entscheidungen sind ja da auch meist ökonomisch bestimmt. Das ist das Problem, das bis in die Familie hinein reicht: Alles, was wir tun, ist durch und durch ökonomisiert.“ Und er ergänzte: „Ich finde, wenn es um den Tod geht, ist die Feststellung, dass man selber zum Gegenstand für Industrie wird, der eigentliche Schrecken und gar nicht der Tod.“

Um Details, die in dem nur mit einer minimalen Fördersumme produzierten Film nicht vorkommen, drehte sich das Gespräch ebenfalls. So erzählte Thomas Heise, dass viele in Krankenhäusern gestorbene Tote noch Plastikschläuche am Körper hätten, die nicht mitverbrannt werden dürfen. Und unter den vielen, die er gesehen habe, sei nur eine einzige „schöne Tote“ gewesen, die gewirkt habe wie sanft entschlafen. „Es war auffällig“, so der Regisseur, „dass alle anderen sehr verkrampft aussahen. Auch das beschreibt unser Verhältnis zum Tod.“

Das Publikum interessierte sich vor allem für die Resonanz und die Zuschauerzahlen des Filmes. „Ich hatte in Berlin auch schon ein Gespräch mit einem Zuschauer“, gab Thomas Heise ehrlich Auskunft – nunmehr vor einem etwa 20-köpfigen Zuschauerkreis im Thalia. Doch der Regisseur ist sich sicher: Der Film werde als DVD sein Publikum finden, und – mit größerem zeitlichen Abstand – für nachfolgende Generationen immer interessanter werden: „In 20 Jahren wird ‚Gegenwart’ ein Dokument sein, das zeigt, wie wir Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts mit uns umgegangen sind“, so Thomas Heise.

Gabriele Zellmann

Gabriele Zellmann

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