Kultur: Die Prinzen vor der Buchhandlung Eichgrün-Fotonachlass
im Potsdam-Museum
Stand:
Ernst Eichgrün und seinem Sohn Walter, zwei der bedeutendsten Potsdamer Fotografen am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dürfte es mehr als recht sein, dass eine Sammlung aus ihrem Nachlass in die Hände des städtischen Museums gelangte. Zu Lebzeiten selbst Mitglieder des Potsdamer Museumsvereins, verstanden sie ihre fotografische Arbeit von jeher als Zeitdokumentation, die den Nachgeborenen historische Ein- und Ansichten vermitteln würde. Dazu ist jetzt, 50 Jahre nach dem Tod Walter Eichgrüns, Gelegenheit. Dank einer vom Förderverein vermittelten Spende von Günther Jauch konnte das Potsdam Museum die private Fotosammlung der Potsdamer Familie Schwarz erwerben: 1500 Glasplattennegative aus dem Atelier der Eichgrüns.
Erste Abzüge sind seit gestern, vorerst nur für eine Woche, im Museumshaus in der Benkertstraße ausgestellt. Die älteste Aufnahme aus dem Jahr 1890 zeigt den Blick von der Langen Brücke zu den Havelkolonnaden am Stadtschloss. Im Gegensatz zur reinen Architekturfotografie leben die Bilder der Eichgrüns durch ihren Zeitbezug. Kaum eines ist menschenleer. Da stehen die Prinzen Adalbert und August Wilhelm von Preußen 1910 vor der Buchhandlung am Kanal und Paul von Hindenburg besucht 1928 das Militärwaisenhaus. Einheiten des 1. Garde-Regiments marschieren 1905 durch die einstige Nauener Straße und über die Lange Brücke schiebt sich 1933 der Trauerzug des Hofpredigers Dr. Johann Vogel. Es sind Fotos aus journalistischem Blickwinkel, die das städtische Leben widerspiegeln. Vor allem Walter Eichgrün arbeitete neben dem Atelierbetrieb immer auch als Bildberichterstatter für die „Potsdamer Tageszeitung“.
Noch weiß Peter Herrmann, der die Fotosammlung des Museums betreut, nicht im Detail, was sich auf den Platten verbirgt. In den kommenden Monaten wird er sie dokumentieren, Abzüge fertigen lassen und diese dann auch digitalisieren. Er rechnet mit einem großem Interesse der Potsdamer Bevölkerung, aber auch von Denkmalschützern und Architekten auf der Suche nach originalen Ansichten zerstörter Häuser und Straßen. Nicht zuletzt ist die Sammlung eine Fundgrube für Historiker, denn oft lassen sich auf den Fotografien öffentlicher Ereignisse bekannte Persönlichkeiten erkennen. So entdeckte Stadthistoriker Hartmut Knitter am Rande eines Militäraufmarschs als Passanten den späteren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher. Auch Ernst Eichgrüns Innenaufnahme der Potsdamer Synagoge von 1905 fasziniert Knitter. Die darauf abgebildete Orgel, durchaus nicht üblich für jüdische Gotteshäuser, sei vom Organisten der Garnisonkirche Otto Becker gespielt worden. Das, so Knitter, sage viel über das jüdische Leben in Potsdam aus.
Die jetzt ausgestellten Abzüge aus der erworbenen Sammlung sowie einige besonders wertvolle von Eichgrün selbst gefertigte Abzüge geben einen Vorgeschmack auf die große Fotoschau, die am 7. Oktober 2008, zum 150. Geburtstag Ernst Eichgrüns, im Potsdam-Museum eröffnet wird. Antje Horn-Conrad
Antje Horn-Conrad
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