Von Lore Bardens: Die Quadratur des Spreewaldes
Liebe zur wiederholenden Variation : Dieter Zimmermann in der Galerie Sperl
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Dieter Zimmermann ist nicht im Spreewald geboren, sondern in Polen. Das war 1942, aber von 1968 bis 1973 studierte er an der Burg Giebichenstein in Halle – inzwischen in Deutschland beheimatet. Nun lebt er im Spreewald, der stets neue Inspirationsquelle für sein Schaffen ist. Mehr noch als die Natur scheinen es ihm aber die Bewohner des südbrandenburgischen Landstriches angetan zu haben, denn die spielen immer wieder eine Rolle in seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie Sperl: „Die Anatomie der Spreewälder“ lautet der Titel der Schau, die sich intensiv und in typischer Dieter Zimmermann-Manier dem Thema nähert.
Manche kennen vielleicht den Zimmermann-Stil, der sich durch die Liebe zur wiederholenden Variation auszeichnet und Bilder mit vielen kleinen Abteilungen bietet, in denen Dinge wuseln: Formen, Menschen, Farben. Auch in der aktuellen Ausstellung wird viel in Variation wiederholt: Farbe, Formen, Themen und eine besondere Art von Humor. Die vierteilige Arbeit „gefühlte Jahreszeiten“ zeigt in vier Bildern das immer gleiche nackte Paar in immer gleicher Umarmung – bei jeweils durch die Farbe wechselnden Jahreszeiten: orange, blau, hell- und dunkelgrün verändert sich die Wiese, auf der die beiden in der merkwürdigen Verschränkung liegen, immer beobachtet von einer Person, die von links ins Bild glotzt. Vielleicht ein Spreewälder? Alle schauen sie in die Welt mit nur einem Auge und wirken verwundert ob ihres Tuns, sei es, dass sie sich darüber mokieren, dass die Umarmung die ewig gleiche ist, sei es, dass der Beobachter eine gewisse Peinlichkeit verspürt.
Die Arbeiten von Dieter Zimmermann haben einen Hang zur naiven Darstellung der Figuren, und sie grenzen manchmal ans Karikaturale, was auf Dauer ein bisschen ermüdet. Dennoch wirbeln da alle möglichen Themen durch die Galerieräume: So ist der Künstler auf der siebenteiligen Suche nach Asta Nielsen, die offensichtlich mal durch die Wälder und Flussarme der Region gehuscht ist: Ein großformatiger Ziegenbock sucht nach ihr auf immer kleiner werdenden Bildern ebenso wie die neben ihm in perspektivisch unscharfer Darstellung dümpelnden Spreewaldkahnruderer. Aber gefunden hat anscheinend keiner von ihnen die berühmte Dame. „Schon wieder Asta Nielsen im Spreewald verschwunden“ lautet resigniert der Titel des letzten Bildes dieser Reihe.
Die „Quadratur des Spreewaldes“ hängt als 24-teiliges Wandbild gegenüber dem Eingang der Galerie. Das dunklere Blau des Wassers und das hellere eines freundlichen Himmels schillert neben dem Grün der Gurken und der Wiesen, das Braun der Schatten der Bäume schimmert da ebenso wie das Gelb eines Sonnenstrahls auf einem Spree-Arm. Das ist eine einzige große, zusammengefasste und doch sehr wirkungsvolle Impression einer Landschaft, die Zimmermann da präsentiert. Und dieses Bild wirkt durch die Ernsthaftigkeit, der karikaturale Elemente nur in der Andeutung anzusehen sind, ein bisschen wie die Seerosen von Monet und zeugt von einer großen Hingabe an die Region.
Die Einzelbilder bestehen aus einer Unmenge kleiner Quadrate – daher auch der Titel – und die Kunstfertigkeit, daraus diese sensibel flimmernde Empfindung einer Gegend so zauberhaft zu gestalten, ist groß. Daneben befindet sich die „Himmelsleiter“, bestehend aus drei übereinander gehängten Arbeiten: Hunderte, wenn nicht Tausende Gesichter schauen nach oben, dorthin, wo die alles überragende Leiter aufhört und der Himmel beginnt. Auch das ist ein mit Liebe – auch zu den Menschen – gestaltetes Werk. Ironisch kommentiert Zimmermann eine der Hauptbeschäftigungen der Spreewälder, die „Gurkensuche“, indem er Menschen in Zuber setzt und die gesamte Gegend von der Gurke gezeichnet zeigt: Selbst das Innere mancher Gestalten ist da durch das grüne krumme Ding charakterisiert, und in solchen Arbeiten entfaltet seine Mischung aus liebevoller Hinwendung und ironischer Künstlerdistanz ihre gesamte Kraft.
Zu sehen in der Sperl Galerie bis zum 26. Oktober, Mi bis So 12 bis 18 Uhr, Mittelstraße 30.
Lore Bardens
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