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Der Meister in jungen Jahren. Ludwig van Beethoven 1804 gemalt von Willibrord Joseph Mähler.

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ZUR PERSON: Die Rauheit auskosten

Beethoven und seine 1. Sinfonie mit Einflüssen von Mozart, Haydn und Carl Philipp Emanuel Bach

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„Alle neun Sinfonien an vier Tagen“ heißt es im Februar bei der Kammerakademie Potsdam. Ein Konzertmarathon mit den Sinfonien von Ludwig van Beethoven, wie ihn das Orchester noch nie bestritten hat. Die PNN stimmen in den kommenden Wochen mit regelmäßigen Beiträgen auf dieses Konzerterlebnis ein. Heute geht es um Beethovens 1. Sinfonie.

Manchem mag es vielleicht etwas sehr weit hergeholt erscheinen, aber Potsdam hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf das musikalische Selbstverständnis, auf das kompositorische Schaffen von Ludwig van Beethoven. Denn 30 Jahre lebte und wirkte in Berlin und Potsdam ein Musiker, der für Beethoven von großer Bedeutung war: Carl Philipp Emanuel Bach, ältester Sohn von Johann Sebastian Bach, dessen Geburtstag sich am 8. März zum 300. Mal jährt.

Spricht man in Bezug auf die 1. Sinfonie, die Beethoven im Alter von 30 Jahren am 2. April 1800 in der Akademie des Wiener Hofburgtheaters uraufführte, von Vorbildern, ist fast immer von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart die Rede. Und auch wenn sich Parallelen zu Haydns Londoner Sinfonien und zu Mozarts drei letzten großen Sinfonien auftun, wird doch eines ganz besonders deutlich: Beethoven präsentiert sich hier als selbstbewusster Gestalter, der etwas Neues, Freies schaffen will. Yuki Kasai, eine von drei Konzertmeistern der Kammerakademie Potsdam, spricht von der „Verbundenheit, die Beethoven zu Mozart und Haydn noch spürbar hat“. Eine Verbundenheit, in der sich aber schon die Verwandlung zum Solitär, zum Originalgenie andeutet. Und da war Beethoven dann Carl Philipp Emanuel Bach näher, der in seinen Kompositionen, in seinem Schaffen für das Klavier selbst als Originalgenie galt.

Carl Philipp Emanuel Bach war ein Meister im „Phantasieren“, der Kunst des freien Schweifens, des Improvisierens. Auf Beethoven, der in seiner Jugend in Bonn durch den Lehrer Neefe mit dem Werk Carl Philipp Emanuel Bachs in Berührung kam, schätzte diesen ein Leben lang. Denn „Phantasieren“, das bedeutete musikalischen Reichtum, und der findet sich schon in zahlreichen Einfällen, Details und Differenzierungen in seiner 1. Sinfonie, wie schon Kritiker zu Beethovens Zeit schrieben. Wie wichtig Carl Philipp Emanuel Bach war, zeigt sein Verhältnis zu dessen bedeutenden Lehrwerk „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“. Wer bei Beethoven Unterricht nehmen wollte, von dem erwartete er als Grundlage für die erste Stunde eine intensive Auseinandersetzung und entsprechende Kenntnis dieses Lehrwerkes.

Seine 1. Sinfonie hat Beethoven noch für eine kleinere Besetzung geschrieben. Für die Kammerakademie Potsdam, die als Kammerorchester Beethoven in einer kleineren Besetzung als sonst heute üblich spielen wird, eine besondere Herausforderung, weil Beethoven von den Musikern alles fordert. „Ich finde es unglaublich reizvoll, bei Beethoven diese Extreme auszuloten. Er fordert als Komponist das Maximum, dass man sich reinkniet. Wenn er Fortissimo schreibt, dann meint er auch Fortissimo und nicht irgendein Gesäusel“, sagt Yuki Kasai. Aber dieses Spiel in kleinerer Besetzung erfordert auch eine größere Direktheit, so Christiane Plath, Stimmführerin in der Kammerakademie. „Man kann sich bei keiner Note zurücklehnen, denn da ist so ein unglaublicher Fokus bei Beethoven. Aber ich bin dagegen, zu sagen: Beethoven in kleiner Besetzung zu spielen ist schwer. Wir tragen dann mit Würde auch ein paar Verluste. Klanglich und was die Rundheit und Klangverschmelzung angeht, sind wir dann schon etwas benachteiligt gegenüber den Berliner Philharmonikern. Aber ich finde es unheimlich reizvoll, diese Rauheit auszukosten. Beim Spielen mit dieser relativ kleinen Geigenbesetzung müssen noch mehr Kontraste da sein. Trotzdem spürt man immer, dass Beethoven Kammermusiker war und dass man selber auch noch Kammermusik machen darf. Aber eben mit diesem sinfonischen Charakter“, sagt Christiane Plath. „Wir haben Naturtrompeten und Hörner, die natürlich vom Volumen her nicht mit den modernen Instrumenten mithalten können, sich aber einfach klanglich in unsere Spielweise einfügen. Das ist dieser Kompromiss, den man dann eingeht“, fügt Yuki Kasai hinzu.

Wenn die Kammerakademie am Donnerstag, dem 13. Februar, ihren Beethovenmarathon mit der 1. Sinfonie beginnt, ist somit ein Klang zu erleben, der dem Original mehr entspricht als das Breitwandformat größerer Orchester. Ein Klang, der mehr Raum für die Details lässt, für mehr Farbigkeit sorgt und so auch viel klarer, natürlicher und auch selbstverständlicher wirken kann. Aber dass die Kammerakademie mit der kleineren Besetzung näher an Beethoven sei, dem widerspricht Konzertmeister Peter Rainer: „Bei einem Kammerorchester ist der Klang naturgemäß durchsichtiger, da gibt es nicht diese Massen und man kann auch mehr an der Partitur bleiben. Aber ich glaube nicht, dass wir näher an Beethoven sind, weil wir das mit einer Kammerorchesterbesetzung spielen. Man ist dann nahe dran, wenn man den Geist der Musik fasst. Und das kann man in jeder Besetzung.“

Die Kammerakademie Potsdam unter der Leitung von Antonello Manacorda spielt vom 13. bis 16. Februar alle neun Sinfonien von Beethoven im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Weitere Informationen und Karten unter www.kammerakademie-potsdam.de

Ludwig van Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren.

Beethovens Vater erkannte früh das Talent seines Sohnes und förderte dessen musikalische Erziehung. Zu seinem wichtigsten Lehrer in dieser Zeit wurde der Komponist und Kapellmeister Christian Gottlob Neefe.

1792 ging Beethoven nach Wien, um dort „Mozart’s Geist aus Haydens Händen“ zu erhalten, wie sein Förderer Graf Ferdinand Ernst von Waldstein schrieb. In Wien entwickelte sich Beethoven trotz immer weiter fortschreitender Taubheit zum Vollender der Wiener Klassik und Wegbereiter der Romantik.

Beethoven, der 1827 in Wien starb, schrieb neben seinen neun weltberühmten Sinfonien unter anderem fünf Klavierkonzerte, Opern, zwei Messen, zahlreiche Streichquartette und 32 Klaviersonaten.

Dirk Becker

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