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Drei für Alfi. Produzentin Manuela Stehr, Markus Hering, der in Das Leben ist zu lang die rebellische Filmfigur Alfi Seliger spielt und Regisseur Dany Levy (r.) am Sonntag im Thalia.

©  Manfred Thomas

Von Andrea Schneider: Die Rebellion der Filmfigur

Dany Levy stellte in einer Exklusivpremiere seinen Film „Das Leben ist zu lang“ in Potsdam vor

Stand:

Ein Netzwerker im Geiste der Filmtradition – ganz offen geht er mit der Tatsache um, dass mit seinem neuen Film „Das Leben ist zu lang“ das Kino nicht neu erfunden ist.

Buster Keaton ist das große Vorbild von Dany Levy, dem deutschen Regisseur, von dem hier die Rede ist. Levy schwärmt von seinem Helden, der ihn in der eigenen Arbeit inspiriert und vielleicht ein wenig dazu beigetragen hat, dass er an diesem Sonntagabend auf der Bühne des Potsdamer Thalia Kinos zur Vorabpremiere den zahlreich erschienenen Gästen Rede und Antwort steht.

Doch bevor die Zuschauer das Wort erhalten, stellt erst einmal Kinobetreiber Thomas Bastian selbst eine Frage, die so komplex ist, dass der Regisseur ganz erstaunt ist. Er wäre wohl lieber gern in leichtem Plauderton ins Gespräch eingestiegen.

Doch die Frage ist gut formuliert und bringt die Thematik des gerade gesehenen Streifens auf den Punkt.

Levys neue Komödie „Das Leben ist zu lang“ lebe besonders von sich verschiebenden Wirklichkeiten und prägnanten Brüchen, so Bastian. Nach dem Warum gefragt, spricht Levy das Reizvolle an der Frage nach Schein, Sein, Wahrheit oder Lüge an. Der Film, der über gut zwei Drittel die stringente Geschichte des jüdischen Regisseurs Alfi Seliger erzählt, bricht plötzlich, als die Figur ein Eigenleben entwickelt, aufbegehrt und von seinem Erfinder Levy sein Leben zurückverlangt. Der hatte dem Querdenker und Außenseiter mit Kindern, denen er peinlich ist, einer fremdgehenden Ehefrau, gerade diagnostiziertem Darmkrebs und seinem geplatzten Filmprojekt über die Mohammed-Karrikaturen zu viele Schicksalsschläge zugemutet. Als dann sogar sein Selbstmordversuch misslingt und er aus einem dreitägigen Koma erwacht, scheint Alfi das Spiel plötzlich zu durchschauen, hinterfragt seine cineastische Realität und provoziert seinen Erfinder, den Filmemacher Dany Levy, jagt ihn durch seinen eigenen Film und schlägt ihm durch ausgemachte Frechheiten und Provokationen, die so nicht im Drehbuch stehen, immer wieder ein Schnippchen. Alfi wird aber von Levy schließlich mit der Endlosschleife à la „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in seine Schranken verwiesen.

Levy ist selbst während seines künstlerischen Schaffens sowohl Schauspieler als auch Regisseur gewesen, und beide Erfahrungen haben vielleicht zu diesem Gedankenexperiment über die scheinbaren, aber doch künstlich produzierten Realitäten in Filmproduktionen angeregt.

Das Ergebnis ist erfrischend, die Besetzung traumhaft und die Hintergründe werden von Levy kurzweilig zum Besten gegeben. Alfis Kinder Romy und Alain (man beachte die verspielte Namenswahl!) sind besetzt von Levys eigener Tochter Hannah, die ihm lange in den Ohren lag und beim Casting schließlich überzeugte, und dem Patenkind David Schlichter, an dem noch etwas gut zu machen war. Lange suchte der Regisseur nach einem geeigneten Hauptdarsteller und erst ein Hinweis der Produzentin Manuela Stehr machte der Suche schließlich ein Ende. Diese hatte den bis dahin weitgehend unbekannten Markus Hering in Andreas Dresens Produktion „Whisky mit Wodka“ gesehen und war begeistert. Levy ließ sich anstecken und besetzte den Schauspieler schließlich für seine Hauptrolle.

Beide, Stehr und Hering, waren am Sonntagabend ebenfalls anwesend und während des Gespräches konnte sich Dany Levy dann sogar persönlich bei Dresen, der sich unter die Gäste des Abends gemischt hatte, für seine Entdeckung des talentierten Markus Hering bedanken.

Manuela Stehr verriet, dass sie persönlich an den Türen der Stars geklingelt hatte, die ebenfalls Levys Film bevölkern. Und so sieht man neben Meret Becker, Veronika Ferres oder Heino Ferch auch Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Bulli Herbig oder Udo Klier in kurzen Gastrollen. Stehr betonte ausdrücklich, dass alle für kleine Gage bereit waren, in Levys neuer Produktion dabei zu sein.

Und warum der Nebbich, der ewige Jude in Levys Filmen? Sicher vor allem wegen der eigenen Biografie. Aber auch die Exponiertheit der Figur war ihm wichtig, das Außenseitertum, aus dem heraus sich eine etwas fragilere Figur einfach leichter entwickeln lässt. Die Frage provoziert den Regisseur schließlich zu der schalkhaften Annahme, dass es doch auch unter den Brandenburgern diesen Menschentypen des liebenswerten Verlieres geben müsse! Ein Lachen geht durchs Publikum und ein unterhaltsamer Abend findet sein Ende.

„Das Leben ist zu lang“ läuft ab Donnerstag im Thalia Filmtheater

Andrea Schneider

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