
© Manfred Thomas
Kultur: Die Rose wird wieder geehrt
Musik und Wissenschaft erforschen „DDR-Rockmusik zwischen Anpassung und Aufbegehren“
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Wenn es doch so einfach gewesen wäre. Musik machen oder die Welt verändern. Für Dieter „Quaster“ Hertrampf, Gitarrist und Sänger bei den Puhdys, gab es nur das Entweder-Oder. Die DDR-Diktatur ließ für ihn keine Zwischentöne zu, nur Schwarz oder Weiß. Die Puhdys wollten weiter Musik machen und blieben unpolitisch. Die Klaus Renft Combo dagegen blieb unbequem, wollte Veränderung, sagte Wahrheiten, die von der Staatsführung nicht geduldet wurden und mit einem Verbot der Band endeten.
Bandgründer Klaus Renft ahnte im Herbst 1975, dass ein Verbot bevorstand. Bei einem offiziellen Vorspiel hatte er einen Recorder in seinem Bassverstärker versteckt und die Erklärung der SED-Lakaien aufgenommen. Ein schauriges Tondokument dieser hölzern-verbohrten, vor Selbstgerechtigkeit nur so geifernden Parteisprache, die einem noch heute, über 30 Jahre später, Übelkeit bereitet. Die Anschuldigungen eines gesichts- ,charakter- und rückgratlosen SED-Funktionärs endeten in der Verbotserklärung und der Aussage, dass die Renft-Combo nicht mehr existent sei. Klaus Renft antworte trotzig und trocken: „Aber wir sind doch noch da!“
Ja, sie sind noch da. Vielleicht besser gesagt, wieder da. Sie sind zurückgekehrt mit der Stimme von Suse Jank. „Wer die Rose ehrt“, dieses zarte und so starke Lied von der Renft-Combo, das damals so leicht daherkam und so krachend im selbstgefälligen Gesicht der Mächtigen landete. Suse Jank sang dieses Lied am Mittwoch Abend im T-Werk. Und wie sie es sang! Keine Nostalgie! Nicht als ein Lied aus einer, zum Glück, längst vergangenen Zeit!
Die 25-Jährige kennt diese Musik nur von den Schallplatten ihrer Mutter. Die Geschichten dazu aus ihren Erzählungen. Doch die Tochter wollte mehr. Suse Jank wollte die Lieder aus ihrem viel zu engen, viel zu beschränkten DDR-Korsett lösen und etwas Neues, Eigenes daraus machen. Zusammen mit ihren Musikern ist sie dabei behutsam vorgegangen und hat die Lieder nicht verfremdet. Details und Instrumentierungen hat sie verändert und so das Zeitlose von „Wasser und Wein“, „Als ich fortging“ oder „Wand an Wand“ zum Leuchten gebracht, ihnen immer aber das Besondere gelassen, sie nicht beliebig werden lassen.
Doch es ging an diesem Abend im vollen T-Werk nicht nur um die alten Lieder im neuen Gewand. „Ehrt man die Rose noch? DDR-Musik zwischen Anpassung und Aufbegehren“ war die Veranstaltung überschrieben. Das klang akademisch und war es zum Teil auch.
Während sich Tochter Suse Jank und ihre fünf Bandkollegen um die Musik kümmerten, gab ihre Mutter Birgit Jank, Professorin für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Universität Potsdam, den historischen Hintergrund in Vortragsform. Von der staatlichen Bekämpfung der so genannten Beatmusik und dem Gammlertum, über die Förderung deutschsprachig singender Bands, das offizielle Einstufungsprocedere der rund 2000 Amateur- und etwa 200 Profibands bis hin zum offenen Protest kurz vor der Wende.
Birgit Jank musste in ihrem Vortrag stark verkürzt die komplexe Geschichte um die facettenreiche Musikbewegung in der DDR wiedergeben. Doch sie wusste Akzente zu setzen und, unterstützt durch Bild- und Tonmaterial, manch Kuriosum zu berichten. So etwa von dem geduldeten Schwarzhandel mit Instrumenten und Equipment aus dem westlichen Ausland, für das DDR-Musiker horrende Summen zahlten. So soll der Wert der Musikanlage von Stern Combo Meißen rund eine Millionen DDR-Mark betragen haben.
An neun weiteren Hochschulen werden die Musiker und die Professorin in den kommenden Wochen ihr Projekt vorstellen und eine neue Auseinandersetzung mit DDR-Musik nicht nur in den neuen Bundesländern anregen. Denn vor allem für junge Menschen ist dieses Thema oft nur ein „weißer Fleck“. Doch nicht nur den Neueinsteiger kann das Programm „Ehrt man die Rose noch?“ faszinieren. Wer mit dieser Musik aufgewachsen ist, konnte an diesem Abend manches wieder- aber auch neu entdecken. Eines wurde dabei sehr schnell klar. Das einfache Entweder-Oder, das Schwarz oder Weiß gab es nicht. Der Protest, die Kritik in der DDR-Musik leuchtete in unzähligen Grautönen. Dirk Becker
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Dirk Becker
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