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Kultur: Die Scheinverkrachten Obelisk-Kabarett: Zehn Jahre Ranz & May

Hat eine Paarbeziehung zehn Jahre überlebt, kann man sicher sein, dass Respekt und Taktgefühl für den anderen gelitten haben. So wie bei wie den Kabarettisten Michael Ranz und Edgar May.

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Hat eine Paarbeziehung zehn Jahre überlebt, kann man sicher sein, dass Respekt und Taktgefühl für den anderen gelitten haben. So wie bei wie den Kabarettisten Michael Ranz und Edgar May. Auf der Bühne im Obelisken jedenfalls scheint das Verhältnis zerrüttet. „Ranz & May auf dem Brokeback Mountain“, das war einmal.

Die Premiere ihres Jubiläumsprogramms mit „Best-of“-Sketchen aus dem vergangenen Jahrzehnt am vergangenen Wochenende droht die letzte gemeinsame Vorstellung zu werden. „Schönen Dank noch mal!“, heißt die Revue, aber das könnte bei dem Zoff wirklich auch heißen: „Nie wieder“. Ein kabarettistischer Ehekrach. Ranz, grundsätzlich der tabulose Täter, raunzt seinen getreuen Tastenvirtuosen May ständig an. Und der muckst zurück. Sein Kollege sei das menschliche Chamäleon, das in unterschiedliche Rollen schlüpft ohne sich umzuziehen. Gar nicht als Lob gedacht, trifft es den Kern, den die zahlreichen, kontinuierlich jubelnden Premierengäste am Ulk-Duo zu schätzen gelernt haben. Ranz, der Größere am Bühnenrand, ist eine „Rampensau“, der auch einer mäßig lustigen Nummer durch mimisches Talent zum gelungenen Abschluss verhilft. Edgar May fühlt sich dabei schlecht behandelt. „Ein geistiger 1-Euro-Jobber“, der am Klavier „Blitzherpes an den Fingern bekomme“ bei den Texten.

„Hallöchen“, grüßt die extra-schräge Figur Ranz in OP-Haube und Kittel ziemlich „warm“ und philosophiert über den Chic, den exotische Krankheiten einem wahrlich hippen Exzentriker versprechen. Ebola, Pocken und Pest seien „in“, denn „die hat schließlich nicht jeder Proll“. SARS, vier Buchstaben, die wie JOOP oder BOSS klingen. Und Cholera macht schlank, „wie den Lagerfeld.“ Ja, es wird eklig bei den Zwei. Ranz preist die Eigenurintherapie und hält sich auch auf dem WC aufrecht: „Die Welt versinkt im Östrogen, ich mach nicht mit, ich bleibe stehn.“

Es könnte sein, dass die enge Zweisamkeit unter Männern auch bei Kabarettisten zu latenter Frauenfeindlichkeit geführt hat. Frauen und Autofahren? Eine „biosoziale Verkehrskatastrophe“. Erwiesenermaßen würden Frauen von einer Minute Autofahren genau 4,7 Sekunden auf die Straße blicken. „Der Rest“, so Ranz, „entfalle auf die Dinge, die sie wirklich interessieren.“ Der Einladung an das weibliche Publikum, ihrer Empörung durch den Sturm der Bühne Ausdruck zu verleihen, wurde nicht nachgekommen. „Bedenken Sie, sie erschlagen den Boten, die Nachricht bleibt“, heizt Ranz nach. Besonders herzlicher Jubel aber immer, wenn die Figur des kollektiven Besser-Ossis auftritt. „Marode Staatsfinanzen und Ossi-Führungspersonal“, mit Blick auf die Herkunft der Kanzlerin meint der Kabarettist: „Das alles erlebten wir schon einmal.“ Der Saal beömmelt sich. Das von Ranz dargestellte Ampelmännchen in Lebensgröße löst bei jeder Grünphase Lacher aus. Der Grüne Pfeil wurde an die „gebrauchten Bundesländer“ gegeben, „damit die Westdeutschen mehr Verkehr haben.“ Für Leute eben, die nie gelernt hätten, wie man die Kurve kriegt.

Allergien, die gab es ja nicht im Osten. „Stellen Sie sich damals mal eine Apfelallergie vor“, wird aufgefordert. Also „ein Leben ohne Obst.“

Nach über zwei Stunden haben sich die beiden Scheinverkrachten nicht nur versöhnt. Sie beglücken das Obelisk auch mit einer Abfolge ihrer Renommiernummern. Musikalisch groß, weil kleinkünstlerisch in der Tradition des 20er-Jahre Varietés, wie „Herr Ober, zwei Mokka“. Ranz tiefer Edeltenor macht aus „Geld macht schön, Geld macht geil“ und „Uschi, ich führ dich aus heut nach zum Sushi“ zu Ranz- & May-Klassikern, auf die sich alle zu Recht freuten. Vor etlichen vom Publikum mit Beharrlichkeit eingeforderten Zugaben präsentiert Michael Ranz auch noch ein Stück aus dem neuen Programm, das im nächsten Jahr zu sehen sein wird. Die mit Verve gesungene Herkunft des Stroganoff-Filets spielt nicht in Omsk, nicht in Imsk aber unweit von Umsk. Es geht also heiter weiter mit Ranz & May. Matthias Hassenpflug

Ranz & May im Kabarett Obelisk, Charlottenstr. 31: am 9., 12., 26., 27.05 um 19.30 Uhr.

Matthias Hassenpflug

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