zum Hauptinhalt
Ein Leser, ein Schreiber, einer mit eigenem Kopf. Der Potsdamer Autor Hans Zappe hat sich auch unter den Diktaturen des 20. Jahrhunderts nicht einfach so angepasst.

© Archiv/Ulrike Funke

Kultur: Die schwierigste Zeit seines Lebens

Der Potsdamer Schriftsteller Hans Zappe wurde vor 120 Jahren geboren und starb vor 50 Jahren

Stand:

Die glückliche Ehe der beiden Potsdamer Ruth und Peter Peters wird jäh unterbrochen. Das nationalsozialistische Regime drosselt den Juden systematisch die Luft ab und ihren „arischen“ Ehepartnern gleich mit, wenn sie sich nicht trennten. Ruth, die aus einem jüdischen Elternhaus stammt und zum Christentum konvertiert ist, drängt ihren Mann, sich von ihr scheiden zu lassen. Doch er weigert sich. „Unmenschen regieren nicht ewig. Die Anständigen im Volk werden opponieren. Der hysterische Ruf nach dem tausendjährigen Reich wird bald verstummen“, hofft Peter Peters. Doch Ruth sieht es anders. Sie nimmt die Formalien bei Gericht selbst in die Hand. Die „Mischehe“ wird geschieden. Immer enger wird nun der Lebenskreis, den die Außenwelt Ruth lässt. Man kennt sie nicht mehr. Sie macht die Erfahrung, dass man auf die andere Straßenseite geht, wenn sie kommt. Die Bänke in den Anlagen werden ihr verboten, und die Gasthäuser hängen Schilder aus, die ihr den Zutritt nicht mehr gestatteten. So beschreibt Hans Zappe es in dem Roman „Ruth“.

„Ruth“ ist ein autobiografischer Roman, der 1968 in der Evangelischen Verlagsanstalt erschien. Er gibt einen bewegend-erschütternden Einblick in die schwierigste Zeit des Lebens des Potsdamer Journalisten und Schriftstellers Hans Zappe. Es ist die Geschichte seiner Ehe mit Ruth Levit, die am Anfang einer erfolgreichen Karriere als Pianistin und Klavierlehrerin stand. „Ihr Wesen ging in der Musik auf“, heißt es darin.

Doch die Ausgrenzung erträgt Ruth nicht länger. Sie wird psychisch schwer krank, depressiv durch den Druck der Verfolgung, man weist sie in ein Krankenhaus ein. „Über Nacht wurde Ruth in ein anderes Land gebracht, fast 1000 Kilometer entfernt, und bald danach traf die Nachricht ein, sie sei gestorben. Gott allein weiß, wie sie gestorben ist – als unwertes Leben von erbarmungslosen Henkern einer verantwortungslosen Nation ermordet.“

„Ruth“ war der letzte Roman, den Hans Zappe veröffentlichte und zugleich sein persönlichstes Werk, das von ihm wohl große seelische Kraft forderte, es zu schreiben und mit ihm an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der heute vor 120 Jahren am 28. März 1895 in der damaligen Residenzstadt geborene Zappe lebte – mit einer Ausnahme von vier Jahren im ostpreußischen Königsberg – vorrangig in Potsdam. Er war der Sohn des Inhabers eines kleinen Lebensmittelgeschäftes im Holländischen Viertel: Sein Vater Adolph Zappe war einer der bekannten Honoratioren Potsdams, der ehrenamtliche Funktionen in der Stadtverordnetenversammlung wahrnahm. Zu seinem 80. Geburtstag im Jahre 1933 würdigte ihn eine Potsdamer Zeitung: „Er war ein Helfer, wo es Hilfe galt, und die einfachen Potsdamer zwischen Bassinplatz und Kurfürstenstraße hatten Zutrauen zu dem Mann, der sich mit einer großen Kinderschar unerschrocken durchs Leben schlug.“

Auch sein Sohn Hans, der zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann machte und dann auch erst einmal in diesem Beruf tätig war, bevor er ab den 20er-Jahren als Journalist und Schriftsteller Texte veröffentlichte, gehörte zu den populären Persönlichkeiten in seiner Heimatstadt.

Am Ende des Ersten Weltkrieges wurde Hans Zappe Volontär und Redakteur des „Königsberger Anzeigers“, kehrte aber 1921 nach Potsdam und Berlin zurück. Verschiedene Tageszeitungen, die vor allem konservativ ausgerichtet waren, beschäftigten ihn als Redakteur. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Hans Zappe leitend auch in der Gilde Potsdamer Künstler, die sich als exklusiver Verein für Maler, Grafiker, Bildhauer oder Schriftsteller verstand. Die Künstler-Gilde bestand jedoch nur neun Jahre lang, von 1925 bis 1934. Wann immer es ihm möglich war, hat Hans Zappe seine freie Zeit vor allem für das Verfassen von Romanen genutzt, deren Schauplätze Potsdam waren. So etwa „Die Versuchungen des Josef Braun“, erschienen 1924, oder „Das Lied über der Stadt“ von 1930 – eine Geschichte über den Glockenisten, also den Spieler des Glockenspiels der Garnisonkirche, Franz Möller. Es sind Bücher, die die Geschichte der Stadt liebevoll beleuchten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Hans Zappe zunächst als Journalist tätig, unter anderem bei den Brandenburgischen Neuesten Nachrichten – damals das Organ der DDR-Blockparteien und Vorläufer der PNN. Die Verantwortlichen der der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) nahestehenden Zeitung forderten ihn auf, der Partei beizutreten. Hans Zappe weigerte sich und wurde entlassen.

Nun machte er die Schriftstellerei zu seinem Brotberuf. Mit den Büchern „Christine sucht den lieben Gott“, „Das Stundenlied“, „Der Oleander“, „Alle singen sein Lied“ oder „Spatzen in Gottes Hand“, alle in der Evangelischen Verlagsanstalt erschienen, konnte er eine große Leserschaft für sich und seine Texte gewinnen. In einem Nachruf für Hans Zappe, der vor genau 50 Jahren am 21. März 1965 starb, hieß es, dass er „einen heiter-besinnlichen Blick hinter die Dinge der Alltagswelt“ getan habe. Die Gestalten, denen er mit seiner schriftstellerischen Gabe Leben verlieh, gehören meist zu den so genannten kleinen Leuten – wie man früher mit dem Ton der Geringschätzung sagte. Aber eben diese kleine Alltagswelt, die normalen Menschen und die Dinge, die sie beschäftigen, wird von ihm nicht nur liebevoll beschrieben, sondern kraft innerer Gaben in ihren Nöten und Leiden überwunden.

So manche Erzählung und Roman von Hans Zappe ruft geradezu nach einer Wiederentdeckung, vor allem „Ruth“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })