Kultur: Die Söhne, die gefressen werden?
Eine internationale Tagung dachte über „Friedrich der Große und die Hohenzollern-Dynastie“ nach
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In Sachen Hohenzollern werden die Geschichtler wohl niemals arbeitslos. Immer wieder gibt es etwas zu erforschen, immer wieder ist etwas zu finden, auf Haupt- oder Seitenwegen. So befasste sich am Wochenende eine internationale Tagung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte ganz exemplarisch mit dem Thema „Friedrich der Große und die Hohenzollern-Dynastie“.
Von den Stiftungen waren die Preußische Schlösser und Gärten sowie die „Preußische Seehandung“ präsent, ebenfalls dabei das Deutsche Historische Institut Paris. Man hatte sich aus Anlass des 300. Geburtstages Friedrich II. im Januar darauf geeinigt, „über Zeit, Umfeld und Person des Königs und seine Bedeutung einst und jetzt neu nachzudenken“. Das wird Gründe haben, im Jahr des Schloss-Neubaus. Es gab Beiträge über das dynastische Selbstverständnis im Hochadel des alten Reiches, über Verwandtschaft und Sippschaft des Alten Fritz oder über den Proporz von Staatsräson und Familienbande. Dies nicht nur am Beispiel der preußischen Prinzessin Luise Ulrike, Königin von Schweden, sondern auch unter dem Aspekt „Vater und Sohn“, wie es Benjamin Marschke von der Humboldt State University in locker-amerikanischer Tonart darstellte.
Nun ist gerade dieses Thema zwar nicht auf die Hohenzollern begrenzt, auch am englischen Hof, bei den Habsburgern oder den Wittelsbachern wollte kaum ein Sohn mal so, wie der Vater es bestimmte. Den so exklusiven wie bekannten Konfliktfall von Friedrich Wilhelm I. und Kronprinz Friedrich mochte der kalifornische Forscher aber auch nicht im Privaten verschwinden lassen. Statt des üblichen Schemas „unkultivierter Vater - musisch begabter Sohn“ führte er etliche Gründe an, warum der Papa den ungehorsamen Filius inhaftieren und dessen Freund Katte erschießen ließ. Schon um 1728 hatte sich eine „eigene Opposition“ um den jungen Fritzen geschart, und „der Vater“, wie ihn die jetzige Wahrnehmung verkürzt zeichnet, nahm den offenen Ungehorsam des Filius gern zum Anlass, die sein Lebenswerk bedrohende Opposition zu zerschlagen. Es gab also nicht nur familiäre Gründe.
Dass dabei dieselbe Konfliktlage immer wiederkehrte, ist gesichert: Im Hause Hohenzollern war so gut wie jeder spätere Regent der Kummer seines Vaters, beim Großen Kurfürsten genau wie bei Friedrich Wilhelm I. Revers machten es die königlichen Erzeuger ihren Söhnen auch nicht leicht, wenn sich diese entgegen der Erbfolge selbst eine Braut suchen wollten. Manch einer floh und kehrte erst zurück, als der Vater nachgab. Dieses relative Kuddelmuddel begründete der Redner damit, dass sich die Hohenzollern nie an das festgeschriebene Primogenitur-Prinzip, also an das Erbfolgegesetz, hielten. Übrigens sprang Fridericus Rex mit der innerfamiliären Konkurrenz genauso um wie sein Vater. Bruder August Wilhelm etwa habe er „politisch totgeschlagen“.
Die Kinderlosigkeit Friedrichs gefährdete nicht nur den Fortbestand der Hohenzollern akut, sie beschäftigte ab 1768 sogar den Wiener Hof. Man wollte deshalb sogar seine Ehe mit Elisabeth Christine annullieren. Thomas Biskup von der Universität Hull stellte in seinem Vortrag „Friedrich als Dynast“ dar, wie dieser auf die „Gefahr des Aussterbens“ reagierte. So setzte er ganz auf das Prinzip des Einheiratens, allerdings nie in katholische Pfründe und auch nicht in die obersten Herrscherhäuser Europas, eher in der unmittelbaren Nachbarschaft, was nicht nur beim Rekrutieren Vorteile hatte, sondern auch bei der allmählichen Vergrößerung seines Reiches. Die eingeheiratete Sippschaft band er sogleich durch hohe Ämter an sich. Gut inszenierte Großfamilientreffen sollten den Fortbestand des Hauses nach außen demonstrieren, doch all das nützte nichts. Nach einem derart „großen“ Friedrich kam kein größerer mehr. Die Zeit des dynastischen Denkens, so Biskup, war inzwischen ohnehin abgelaufen. Gerold Paul
Gerold Paul
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