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Getanzte Traumzeit. Das Queensland Ballet in Aktion.

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Von Babette Kaiserkern: Die Sonnengöttin und das Didgeridoo

Das Queensland Ballet begeistert mit „Timeless Dances“ im ausverkauften Nikolaisaal

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Auf der nahezu dunklen Bühne reihen sich 22 junge Tänzerinnen und Tänzer auf, gekleidet in schlichtes schwarz. Zum durchdringenden Klang einer Violine fegt plötzlich ein Tänzer von der Seite herein und wirbelt mit akrobatischen Sprüngen vorüber. Ein zweiter kommt von rechts und zeigt sogar noch höhere Salto-Sprünge. So furios wie das Gastspiel des Queensland Ballet beginnt, endet es auch. Nach über zwei Stunden braust am Samstag im ausverkauften Nikolaisaal frenetischer Beifall auf für eine glänzende Tanzvorstellung. Vor allem der getanzte Schöpfungsmythos mit der Live-Musik des Didgeridoo-Virtuosen William Barton und dem Sonoris Streichquartett fand großen Anklang.

Präsentiert wurden fünf atemberaubende Werke von drei Choreographen, unter denen die von François Klaus besonders herausragten. Der langjährige Solist von John Neumeiers Ballett-Kompagnie ist seit 1998 Künstlerischer Leiter des Queensland Ballets aus Brisbane, das als eines von nur drei Tanzensembles in Australien eine führende Rolle spielt. Davon zeugen mehrere Tourneen in aller Welt und, nicht zuletzt, der umjubelte Tanzabend in Potsdam. Die Ausdrucksformen des klassischen Balletts beherrscht das Ensemble genauso gut wie die Sprache des Modern Dance. Das ergibt eine spannungsreiche Stilmischung, die in der musikalischen Auswahl von Mozart über Filmmusik bis zu den archaischen Blasinstrumenten der australischen Ureinwohner ihren Widerhall findet.

Im Stück „Nineteen“ des jungen Choreographen Kim McCarthy, früher ebenfalls Solist bei John Neumeier, zelebrieren drei Paare mit viel Anmut und Grazie den Pas de Deux. Zum zärtlichen Allegretto Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert Nr. 19 tanzen sie in virtuosen Dreh- und Schleifbewegungen, die bisweilen an Eistanzen erinnern, – ein anziehendes Beispiel für neoklassisches Ballett in der Ära nach Balanchine und anderen Erneuerern. Dem Modern Dance verpflichtet ist das Werk „Gathering“ der jungen Choreographin Natalie Weir. Zur wuchtigen Musik von Hans Zimmer aus dem Film „The Gladiator“ tanzt das Ensemble barfuß in roten, langen Röcken, die an Mönchsgewänder erinnern. Abstrakte und amorphe Körperarrangements wechseln mit erzählerischen Episoden. Mal wirkt das Ensemble wie ein ferngesteuerter Automat, mal lösen sich einzelne Tänzer daraus hervor und frappieren mit akrobatischen Solodarbietungen.

Mit phantasievoller Gestaltung und tänzerischen Glanzlichtern bezaubern die drei Choreographien von Francois Klaus. Das eröffnende „Steps for Strings“ zeigt malerische Menschen-Tableaus in schwarz-rot zur melancholischen Musik von François Dompierre und Ennio Morricone. All die klassischen Ballett-Posen und Bewegungen wie Arabesken, Attitüden, Pirouetten, flinke Fußarbeit und elegante Hebefiguren kommen zur Geltung. Im ebenfalls stilvollen Pas-de-deux „Chant d´amour“ werden gelegentlich Posen aus Flamenco und Paso doble zitiert.

Nach der Pause dann das längste Stück des Abends, „Timeless Dances“, das eine Brücke von den archaischen Mythen und der Kunst der Aborigines zur Gegenwart ziehen möchte. Auf der Bühne erscheint das Sonoris Streichquartett und William Barton, Musiker, Komponist, Didgeridoo-Spieler und Gitarrist. Kantige Brocken mit fremden Zeichen darauf, die von Bartons Bruder Robert entworfen wurden, dienen als karge Dekoration, Altar und Versteck. Zu den mal gleißenden, mal düster-akkordischen Klängen der Streicher und dem dunklen Zischen, Pulsieren und Rauschen des Digeridoos entwickelt sich ein magisches Spiel. Die in hautfarbene Trikots gekleideten Tänzer führen in die legendäre „Traumzeit“ der Aborigines und zeigen, dass erst der Kreislauf von Geburt und Tod die Menschlichkeit bedingen. Eine Sonnengöttin, die agile, zierliche Tänzerin Kathleen Doody führt im rot-goldenen Flatterkostüm den Reigen des Lebens an. Doch der eigentliche Star des Abends ist William Barton. Schon seine kolossale Gestalt beeindruckt, seine Didgeridoo-Töne klingen wie ein Echo aus den fernen Traumzeiten. Außerdem singt er in fremden Lauten, begleitet von den Tänzerinnen, die sogar in seine magischen Gesänge einstimmen. Bravorufe und minutenlanger Applaus für dieses ebenso exotische wie moderne Tanzstück.

Babette Kaiserkern

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