Kultur: Die Stasi im Westen
Hubertus Knabe über die „Rosenholz“-Akten im Nauener Tor
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Hubertus Knabe über die „Rosenholz“-Akten im Nauener Tor „Rosenholz“ – der wohlklingende Name steht für eine handfeste Geheimdienststory: In den Wirren der Wendezeit wanderten auf mysteriösen Pfaden Karteien der ehemaligen Auslandsspionage des MfS in die USA. Während die berüchtigte Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) 1989/90 fleißig ihre eigenen Akten vernichtete, hielt die CIA eine Mikrofilmdatei mit Klar- und Decknamen tausender im Westen tätiger Agenten in den Händen. Nach vielen vergeblichen Anläufen konnte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr endlich die Rückführung der für eine Aufarbeitung der „Westarbeit“ des MfS so wichtigen „Rosenholz“-Akten, allerdings nur als Kopie, erreichen. Nun werden sie in der Birthler-Behörde der Forschung zugänglich gemacht. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, hat in jahrelanger Recherche die perfiden Strategien des MfS zur Abwehr der Feindarbeit aus dem Westen aufgedeckt. In seiner Studie „Die unterwanderte Republik“ konnte der promovierte Historiker darlegen, wie sehr dem Mielke-Imperium daran gelegen war, nicht nur die eigene Bevölkerung zu überwachen, sondern auch den Westen an empfindlichen Stellen mit Spitzeln zu durchsetzen. Auf Einladung der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche schilderte er am gestrigen Abend einem interessierten Publikum im Nauener Tor die subtilen wie wirkungsvollen Methoden des MfS im „Operationsgebiet“ West. Aufgrund der fehlenden Akten könne bisher vieles nur vermutet werden, da insbesondere die Klarnamen von Personen fehlten, die an entscheidenden Stellen der westdeutschen Politik, des Militärs, der Wirtschaft, der Medien und selbst des Kirchenbereichs als „Kundschafter des Friedens“, wie sie sich selbst gern sahen, für das SED-Regime spionierten. So hoffen denn Historiker wie Knabe auf neue Erkenntnisse aus den Rosenholz-Akten. Knabe sieht in der Westarbeit des MfS ein „letztes großes Geheimnis“. Was brachte Menschen in der Bundesrepublik dazu, aus freien Stücken und ohne den Zwang einer Diktatur für einen Unrechtsstaat zu spionieren? Immerhin sei dies ein äußerst gefährliches und selten hochdotiertes Unterfangen gewesen. Mit der „Romeo-Methode“ wurden beispielsweise auf Sekretärinnen in Spitzenpositionen Agenten angesetzt, die ein intimes Verhältnis aufbauten und so an brisante Akten gelangen konnten. Da gab es „Perspektivagenten“, zumeist Studenten, die durch ihre berufliche Karriere langfristig als Informationsbeschaffer vorgesehen waren. Besonders erfolgreich war auf diese Weise Rainer Rupp, alias „Topas“, der die gesamte Militärplanung der NATO an den Osten verriet. Auch mit dem Strom der Flüchtlinge und Ausreisenden wurden Agenten in den Westen geschleust, wie beispielsweise Günter Guillaume, der vor dem Mauerbau die DDR verließ und später als Referent Willy Brandts für die Stasi spionierte. Seine Enttarnung führte schließlich zum Sturz des Bundeskanzlers 1974. Daß das MfS überhaupt so erfolgreich im Westen agieren konnte, lag, so Knabe, an den ungeheuren personellen und finanziellen Ressourcen, die auch den Einsatz modernster Technik erlaubten. Noch dazu war der Chef der Spionage-Abwehr in der Bundesrepublik selbst Agent des MfS. Der Informationsgewinn sei insgesamt erheblich gewesen und aus seiner Sicht habe das MfS über Jahrzehnte nicht unbedeutenden Einfluß auf die westdeutsche Politik ausgeübt, was sich an vielen politischen Entscheidungen ablesen ließe, die der DDR in die Hände spielten. Deutliche Kritik mußte der Referent anschließend aus dem Publikum entgegennehmen. Er habe, so ein Vorwurf, zwar interessante Einblicke in die westwärts gerichtete Wühlarbeit des MfS gegeben, jedoch im Grunde kaum neues dargelegt. So sei unklar geblieben, was man von den Rosenholz-Akten tatsächlich erwarten könne. Für Zündstoff in der Öffentlichkeit, das zeigten die bisher bekannt gewordenen Fälle Lothar Bisky und Günter Wallraff, sorge das Material sicherlich, so Knabe. Er hoffe aber, daß die darin enthaltene Brisanz nicht neue Gräben aufreiße, sondern zu einer ehrlichen und konsequenten Auseinandersetzung mit den Stasi-Verstrickungen im Westen führe. Carsten Dippel
Carsten Dippel
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