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Von Daniel Flügel: Die stolzesten Griechen

Regisseur Filippos Tsitos zum Filmgespräch im Thalia

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„Nicht alle Griechen sind so, wie die gleich gezeigten.“ Schmunzelnd hatte Regisseur Filippos Tsitos mit diesem Satz seinen neuen Film eingeleitet und damit zugleich auch schon die bis jetzt wohl am häufigsten gestellte Frage vorab beantwortet. Bereits im vergangenen Jahr in Locarno mit dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet, feierte die wunderbare Komödie „Kleine Wunder in Athen“ am Donnerstagabend ihre bundesweite Filmpremiere. So auch im Thalia Kino bei Ouzo, griechischen Weinen und anderen landestypischen Gaumenfreuden.

Der Film ist ein Denkmal der Müßigkeit! Vier in die Jahre gekommene, etwas schmuddelige Männer in ausgebeulten Hosen und scheußlichen Jacken lümmeln sich am Straßenrand gemeinsam in Plastikstühlen und schlürfen ihre Milchshakes. Einer von ihnen ist Stavros, der von Antonis Kafetzopoulos überzeugend stark gespielte Held des Films. Wie seine drei Kumpels, besitzt auch er an der selben Straßenkreuzung, in einem arg heruntergekommenen Athener Stadtbezirk, einen kleinen Laden, in den sich nur ganz selten ein Kunde verirrt. Also trifft man sich bei ihm, um demonstrativ zu warten, bis der Tag vorüber ist. Außer dem Nachhängen längst vergangener Rockkonzerte und einer fast kindlichen Fußballspielwut, verbindet die vier Nichtstuer wohl nichts so sehr wie ihr merkwürdiger Nationalstolz, der sich dank der grundsätzlich liebevolle Charakterisierung dieser Figuren natürlich als Aberwitz entlädt.

Denn ihr ereignisloses Dasein fällt ihnen nicht selbst, sondern erst den expansionswilligen Chinesen auf, die gegenüber ein Geschäft betreiben und ihnen plötzlich auch ihre Kioskläden abkaufen wollen. Groß ist die Freude, dass der Hund namens Patriot ausschließlich Albaner anbellt, doch noch größer die Empörung, als bald darauf, genau auf der Kreuzung, ihrem Bolzplatz, von Gastarbeitern ein Denkmal für interkulturelle Solidarität errichtet wird. Vollends aber scheint Stavros’ Identitätsgefühl zu zerbrechen, als seine senile Mutter eines Tages ausgerechnet in einem vorbeigehenden Albaner ihren verlorenen Sohn zu erkennen glaubt und auch noch fließend Albanisch spricht.

Geradezu drollig in seiner eigenen Unsicherheit und der im Umgang mit seinem „neuen Bruder“ wirkt nun nicht nur Stavros, sondern auch seine drei Kumpels, deren Distanzierungsversuche nur zum Lachen reizen. Denn was sind sie alle, wenn sie keine Griechen sind, formuliert Regisseur Tsitos im anschließenden Filmgespräch eine der Kernfragen von „Kleine Wunder in Athen“.

Lediglich Faulpelze, möchte man meinen. Denn wirklich kommunizieren können diese hohlen Patrioten nicht. Und dass Identität nicht allein eine Frage der Herkunft ist, wurde unter den gut 30 Gästen im Thalia mehrmals geäußert.

Tsitos hat mit „Kleine Wunder in Athen“ ein ruhiges, eher handlungsarmes, jedoch äußerst blickstarkes Satirestück produziert, in welchem der Nationalstolz seiner Landsleute humoristisch durch den Kakao gezogen wird. Doch nicht nur von den Griechen, sondern auch von den Albanern, die dort die größte Gruppe der Einwanderer stellen, sei der Film sehr gut aufgenommen worden, so der Regisseur. Nicht von ungefähr zeigen sie ja im Film die gleichen Vorlieben und sogar Verhaltensweisen. Denn Tsitos interessiert das Übergreifende, Pauschalisierungen liebt er nicht. Auch er habe seine Vorurteile über Bord werfen müssen, als er 1991 nach Berlin gekommen sei und nur wenig von deutscher Ordnung und Pünktlichkeit vorgefunden habe. Die herzhaften Lacher wirkten da zustimmend.

Von der Theaterleiterin Christiane Niewald abschließend nach seinen nächsten Plänen befragt, antwortete Tsitos ebenso augenzwinkernd, dass sein nächster Film „nichts mit Ausländern“, sondern eine Liebesgeschichte unter Griechen werden soll.

Zu sehen in den Thalia Arthouse Kinos, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

Daniel Flügel

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