Alexander Osang in Potsdam: Die Stones sind tot, es leben die Steine
In "Comeback" schreibt Alexander Osang über Rockbands, die DDR und Verrat. Ins Waschhaus Potsdam kam er aber unbeschwert.
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Pankow. Mit Pankow fing alles an. Nicht mit dem Berliner Bezirk, sondern mit der DDR-Rockband gleichen Namens. „Da war ich schon Fan, damals“, sagt Alexander Osang, Schriftsteller, lange Spiegel-Korrespondent in New York und überhaupt ein guter Typ. Aber erstmal zurück zum Anfang. Subversiv waren Pankow damals, wie andere auch, aber nicht so bombastisch-verklausuliert wie etwa Karat. „,Wenn ein Schwan stirbt’, dit hab ick damals gar nicht verstanden“, sagt Osang am Mittwochabend, als er, samt seinem neuen Roman „Comeback“, ins Waschhaus kommt. Um zu lesen, das auch, aber auch, um mit Buchhändler Carsten Wist zu plaudern, der ihn eingeladen hat.
In „Comeback“ geht es, unschwer zu erraten, auch um eine DDR-Rockband, eine fiktive, mit dem nicht eben bescheidenen Namen Die Steine. Nach der Wende löst Nora, die Sängerin, die Band kurzerhand auf und geht nach New York, aber ganz können die vier Jungs und sie doch nicht voneinander lassen, und so finden sie wieder zusammen, lösen sich wieder auf, versuchen es noch einmal. „Mich hat immer interessiert: Wie kann man als Rockmusiker in Würde altern?“, sagt Osang. Das ist ja immer die Frage, wenn man einmal lässig war und wild und frei – wie rettet man das rüber? Für DDR-Künstler, sagt Osang, kam noch eine andere Krise hinzu. Jahrelang hatten sie eigentlich die Aufgabe guter Journalisten übernommen, die Zustände im Land beschrieben, sich an ihm gerieben, bis es wehtat – nach der Wende fiel diese Rolle weg. „Das stürzte die echt in eine Identitätskrise“, sagt Osang.
Osang ist großer Schreiber in Details und im großen Ganzen
Darüber hinaus stellt er in „Comeback“ eine viel universellere Frage: Wie kann man sich selbst treu bleiben, wenn man sich von Menschen, die einem wichtig waren, wegbewegt? Das Schöne an seinem Schreiben ist, dass er solche eigentlich großen Themen nicht laut oder intellektuell verbrämt anpackt, sondern ganz schlicht kleine Beobachtungen einflicht, die man fast überlesen könnte und die einen, wenn man es nicht tut, mit großer Wucht erwischen können. Da ist etwa dieser Dialog zwischen Nora und dem alten Tourmanager Conny, als der gerade auf dem Weg nach Hallgow ist. „Halligalli, sagte Nora, die alles, was sie mochte, aber nicht besaß, in Fantasiewörter kleidete. Sie machte seine Welt zu ihrer Welt.“
Und weil Osang nicht nur in den Details, sondern auch im Ganzen ein großer Schreiber ist, hat er den Roman angelegt wie ein Album, die Kapitel wie einzelne Songs, jedes aus der Perspektive eines anderen Bandmitglieds erzählt.
Dass sich gute Musik und gute Literatur bedingen, diese Theorie hat Carsten Wist schon lange. Die Amerikaner, sagt er, seien ja deshalb die besseren Autoren, weil sie die bessere Musik hervorgebracht haben – und zumindest gebe es in Deutschland keinen Musiker, der den Literaturnobelpreis verdient hätte, wie Bob Dylan etwa. Osang ist natürlich zu sehr Journalist, um auf eine so steile These sofort einzusteigen, aber dass ihm das Unprätentiöse an US-Filmen, Literatur und Musik gefällt, das sagt er schon.
Er und Pankow waren nicht mehr ganz so jung
„Almost Famous“ etwa, dieses Rockband-Roadmovie von Cameron Crowe, hatte er im Kopf, als er mit „Comeback“ begann. Eigentlich, sagt er, sollte es ein Sachbuch werden, er wollte – ähnlich wie der junge Musikjournalist im Film – mit einer Band auf Tour mitreisen, die er liebt. Pankow eben. Der Unterschied zu „Almost Famous“ – er und Pankow waren da schon nicht mehr ganz so jung. „Die Tour lief mäßig – aber die Musiker wirkten alle glücklich“, sagt Osang. Deshalb hatte er Skrupel, sie für ein Buch direkt zu verwenden, aus Respekt vor ihrem Enthusiasmus, könnte man sagen. Dass auf solchen Touren wenig vom vermeintlichen Glamour übrig bleibt, das kann man auch wunderschön in „Comeback“ nachlesen. „Almost Famous trifft Gunter Gabriel“ heißt das Kapitel, geschrieben aus der Sicht einer „Stern“-Journalistin, die Die Steine auf Tour begleitet. Sie sind im Hotel Zur Eiche, irgendwo bei Leipzig, das Frühstücksbuffet besteht aus Bierschinken, Leberkäse und angelaufenen Eiern und das Gespräch dreht sich um die Vergangenheit, ein Treffen in Hallgow, einem kleinen Kaff in der Nähe von Löwenberg, wo Conny, der Tourmanager, einen Hof hatte, auf dem sich in den 80er-Jahren jeden Sommer die halbe Rockszene der DDR getroffen hatte. Und wo Mitte der 90er-Jahre der große Streit in der Band ausgefochten wurde: Die Stasibeichte ihres Gitarristen Alex. Und so greift bei Osang alles ineinander, das Kleine und das Große, Geschichte und Musik und enttäuschte Hoffnungen.
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„Auf Tour“, sagt Osang, „sind Rockstars eben oft nicht so, wie wir sie haben wollen – sondern eher wie Geschäftsreisende.“ Auch für ihn als Literatur-Reisenden ist es nicht immer ganz leicht: „Wirst du eigentlich lieber von Frauen interviewt?“, fragt Wist ihn. „Ne“, antwortet Osang, „es gibt auch Frauen, die seltsame Fragen stellen. So wie du jetzt.“ Und Wist legt noch einmal nach, erinnert Osang daran, dass er der Autorin Judith Hermann als Unterrichtender an der Journalistenschule gesagt hat: „Lass das mit dem Schreiben.“ Vielleicht ein guter Beleg dafür, dass man enttäuschte Hoffnungen nicht immer zu ernst nehmen muss, dass es weitergeht, wenn man nur die richtige Musik im Herzen hat. Oder, wie es in einem der Songtexte heißt, die Osang für seine Steine geschrieben hat: „Hör auf zu pennen, Baby, fang an zu rennen, Baby.“
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