Kultur: Die Suche nach dem Ursprung
Werkstattkonzert im Havelschlösschen
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Wer das Werkstattkonzert im Kammermusiksaal Havelschlösschen des Potsdamer Gambenbauers Tilman Muthesius am Samstag erlebt hat, konnte tief in die Geschichte der Musik eintauchen. Wie jedes Jahr im Januar hatten sich Kenner und Liebhaber der Gambenmusik zum Fachsimpeln und Musizieren versammelt. In diesem Jahr lautete das Thema des Symposiums „Die Ursprünge der Streichinstrumente“; das Werkstattkonzert war mit „Der Ursprung der Gambe“ überschrieben.
Die Gambistin Christiane Gerhardt gab eine kleine Einführung in das ungemein spezielle Thema. Gern diskutiert wird zum Beispiel die Frage, seit wann es einen Stimmstock in der Gambe gibt. Das musikalische Ergebnis konnte sich hören lassen, ja man konnte sogar ein bisschen die Worte des französischen Gambisten Jean Rousseau, der nichts mit dem gleichnamigen Philosophen zu tun hat, nachvollziehen, der vor 300 Jahren erklärt hatte, dass „die Gambe das vollkommenste Instrument ist, weil sie mehr als irgendein anderes der Natur nahe kommt, muss man annehmen, dass Adam, wenn er ein Instrument hätte bauen wollen, eine Gambe gebaut hätte“. Nun gut, damals hatten Geige und Cello noch nicht ihren Siegeszug angetreten, der die Gambe für eine lange Zeit verdrängt hat. Doch dass die Gambe wieder lebt, konnte im stilvollen, ofenwarm beheizten Konzertsaal an der Havel im kleinen Kreis von Spielern und Zuhörern erfahren werden.
Nachbauten und Neubauten von kleinen und großen, hohen und tiefen Gamben aller Art erklangen zu Musik, die überwiegend aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammte. Dass diese nicht immer zu den Instrumenten passte, welche späteren Epochen bis hin zum Frühbarock angehörten, tat der Spiellaune keinen Abbruch. Bei diesem freundschaftlichen Austausch war wissenschaftliche und handwerkliche Akribie nur ein Aspekt von vielen. Was anfänglich noch kratzig und mit dem typischen Näseln klang, entwickelte sich zunehmend wohltönender. Doch vorher führte ein Zwischenspiel von Altflöte (Marie Verstraete) und dreisaitiger Miniaturfiedel (Petra Prieß) in die einstimmige mittelalterliche Hofmusik zurück, mit arabischen Klängen und filigranen Verzierungen. Als „besten Chansonkomponisten seiner Zeit“ präsentierte Clemens Goldberg den Renaissance-Dichter und Musiker Antoine Busnoys. Mangels eines Sängers wurde dessen Part kurzerhand von der Diskant-Gambe übernommen, die von einer weiteren hohen Gambe und einer tieferen begleitet wurde. Überraschend expressive, kunstvoll manierierte Tonsätze erklangen da, bei denen die Kirchentonarten schon in Richtung des modernen diatonischen Tonsystems weiterentwickelt wurden. Ähnlich polyphon raffiniert erweist sich Alexander Agricolas Fantasie mit dem ursprünglich lateinischen Titel „Ein Blinder urteilt nicht über Farben“, ein herausragendes Beispiel früher Instrumentalmusik.
Bei einem zweiten Zwischenspiel gab es die Gimbri zu hören, ein nordafrikanisches Zupfinstrument mit dunklem bassartigen Klang, das auch als Trommel benutzt werden kann und, überraschenderweise, als Vorläufer der Gambe gilt. Gut harmonierten dazu die hohen Tonlagen der türkischen Kemence, die keine Fiedel, sondern eine gestrichene Laute ist. Vollendet klangschwelgerisch tönten die Stücke des Gambenquartetts, das sich spontan um Claas Harders gebildet hatte, von Komponisten wie Hayne van Ghizeken und Heinrich Isaak. Wie man Freude haben kann – mit diesem passenden Motto nach Josquin Desprez vierstimmigen Instrumentalstück endete das Werkstattkonzert höchst stimmig. Babette Kaiserkern
Informationen zum Konzertprogramm 2013 im Kammermusiksaal Havelschlösschen unter www.gamben.de
Babette Kaiserkern
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