Kultur: „Die vier Elemente“ im Glasfoyer
Am Anfang war die Neugier. 21 Jungen und Mädchen aus dem vierten Jahrgang der Evangelischen Grundschule Potsdam ließen sich auf ein musikalisches Experiment ein.
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Am Anfang war die Neugier. 21 Jungen und Mädchen aus dem vierten Jahrgang der Evangelischen Grundschule Potsdam ließen sich auf ein musikalisches Experiment ein. Niemand, weder sie noch die beteiligten Erwachsenen, konnten zu Beginn der Proben im Januar wirklich wissen, welche Gestalt die gemeinsam zu erarbeitende Klangimprovisation über die vier Elemente bei der Uraufführung annehmen würde. Das, was schließlich im lichtdurchfluteten Glasfoyer des Hans Otto Theaters zu hören und zu sehen war, schlug die Zuschauer und nicht zuletzt die Akteure selber in den Bann.
Geheimnisvolles Tuscheln und Flüstern wird zum Auftakt Ohrenöffner für alles, was sich von einem Augenblick zum anderen zu einer spannungsvollen Collage aus Geschichte und Klang entwickelt. Behutsam werden die Kinder durch diskrete Handzeichen und die wachen Blicke von Frank Fiedler durch die Improvisation geführt. Bei ihm laufen alle Fäden der gleichzeitig spontanen und sorgfältig geplanten Komposition zusammen.
Die einnehmende Stimme der Erzählerin (Carola Grahl), die sich selbst am Monochord begleitet, entrückt in eine märchenhafte Dimension. Aus der Rahmengeschichte von der Frau, die beim Kartoffelschälen einer plötzlichen Eingebung folgend ein neues Bewusstsein für die wunderbare Kraft der Erde erlangt und sich deshalb auf Entdeckungsreise in eine andere Welt begibt, entspinnt sich die Begegnung der Kinder mit den vier Elementen. Der hohe Bühnenraum, zu dem sich das Foyer verwandelt, setzt sich jenseits der Glasfassade kongenial in der mit dem Schauspiel konkurrierenden Naturkulisse aus Wasser und Himmel fort.
Mit einem Mal blitzt aus den Wortkaskaden der Erzählerin die Schöpfungsgeschichte auf, später gesellen sich auch Verse des Ovid oder von Wilhelm Busch hinzu. Die Kinder greifen die sprachlichen Impulse in beinahe traumwandlerischer Sicherheit auf und übersetzen sie in einen faszinierenden Klangteppich aus Geräuschen und Musik. Feuer, Regen, Wasser und Wind spüren sie nach, sie streichen das Becken, bringen Gongs zum Vibrieren, lassen die Trommeln sprechen. Muschelklappern, Meeresrauschen, das Zwitschern der Vögel, knisterndes Feuer, rauschender Regen – nichts scheint unmöglich angesichts der Fülle der bereitgestellten Instrumente. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Raschelndes Pergamentpapier wird zum gleichberechtigten Partner neben Klanghölzern, Djembés und dem urig tönenden Didgeridoo. Die Kinder sind mit leuchtenden Augen bei der Sache. Als sie am Ende ihres Ausfluges in das abenteuerliche Reich der Improvisation übermütig Pingpongbälle in die Luft werfen, ist zu ahnen, dass dies erst der Anfang von der gemeinsamen Entdeckung eines Stücks Neuland ist. Das Experiment, zu dem Andrea Conrad das Konzept entwickelte, ist aufgegangen. Große Anerkennung gebührt dem Musikpädagogen Frank Fiedler. In einer denkbar kurzen Probenzeit ist es ihm gelungen, bei den Kindern eine Begeisterung und Sensibilität für den experimentellen Umgang mit Musik zu wecken. Die Schülerinnen und Schülern der Evangelischen Grundschule haben mit beeindruckendem Einsatz bei der Aufführung ganz entscheidend zum Gelingen beigetragen.
Das aufeinander achten, auf den anderen reagieren, die gegenseitige Rücksichtnahme und der gemeinsame Gestaltungsprozess sind Schlüsselmomente für die Improvisation und Sinnesbildung, die jedem Kind zu wünschen sind! Schon allein deswegen verdienen die von Andrea Conrad initiierten Potsdamer Tage der neuen Musik für Kinder unbedingt eine Fortsetzung. Almut Andreae
Almut Andreae
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