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Ausschlaggebend ist das Bild. Der Sammler Jochen Kienzle.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Kultur: Die Wächter der Aliens

Ein Sammlergespräch mit Jochen Kienzle im Ausstellungspavillon der Freundschaftsinsel

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Wie die Aliens sich zwischen mindestens zwei Welten bewegen, so auch der wahre Sammler von Kunst. Er produziert sie nicht selbst, doch liebt er sie anscheinend so, wie der Maler sein Bild. Was lag für den Brandenburgischen Kunstverein Potsdam (BKV) da also näher, als im Pavillon auf der Freundschaftsinsel, wo sich derzeit etliche „Aliens“ der Klassischen Moderne in einer sehenswerten Ausstellung mit gleichen Namen präsentieren, ein offenes Gespräch über das Sammeln zu organisieren? Am Sonntagabend stellte sich der Kunsthistoriker, Galerist und Berliner Kunstsammler Jochen Kienzle hier den Fragen von Gerrit Gohlke, seinerseits Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des BKV. Er ist auch der Kurator dieser Exposition.

Fast dreißig Besucher meist feineren Tuches kamen zu diesem Auftaktgespräch in Sachen „Moderne Kunst und ihr Mensch“. Es begann mit einer kleinen Führung zu den gar nicht mal so bekannten Giganten der Moderne, wie Berthold Matthes, Gary Stephan und Jack Whitten, deren Werke von Gohlke nach allen Regeln der Kunst erklärt wurden. Sie sind Teil der privaten Sammlung von Jochen Kienzle oder der vor einem Jahr ins Leben gerufenen Stiftung namens Kienzle Art Foundation zu Berlin-Charlottenburg. Nicht wenige der Künstler warteten auf ihre Entdeckung – oder Wiederentdeckung, so der begeisterte Sammler. Jochen Kienzle stammt aus Schwaben, wo sich schon seine Eltern auf ähnliche Weise betätigten. Angeblich ließen sie ihre Schätze zu lange am selben Ort hängen. Für den Wahlberliner des Jahrgangs 1957 versteht es sich deshalb von selbst, bei Neuzugängen aus Ankauf, Tausch oder direktem Künstlerkontakt so lange umzuhängen, bis alles passt.

Damit ist man auch schon in medias res: Sammeln ist für den gelernten Schreiner und späteren Kunstgeschichtler nicht nur eine herzensorientierte Leidenschaft mit Tendenz zu Besitzesglück. Nach erfolgreicher „Jagd“ im In- und Ausland gehört auch Wille zur Ordnung dazu. Echte Sammler nennen diesen Vorgang „spielen“. Kunst als Spielzeug? Das ist gut. Freilich müsse dabei alles kunsthistorisch abgesichert sein, denn die Anerkennung durch Freund und Feind ist auch für einen solchen wichtig. Nach außen hin bemüht sich die 1997 gegründete Programmgalerie Kienzle & Gmeiner ein wenig gegen den Strom des allgemeinen Kunst- und Galerie-Betriebes zu steuern, indem man potente Werke eben nicht nach möglichem Mehrwert auswählt und den Etablierten eigene Positionen klarmacht – wie jetzt bei den „Aliens“ auf der Freundschaftsinsel: „Ausschlaggebend ist das Bild“, sagte Kienzle. Auch daheim, denn in solch wohlgeordneter Gesellschaft auf dem Sofa zu sitzen und sich zu freuen, sei, so Kienzle, das Wichtigste überhaupt.

Man sprach inmitten dieser Alien-Ausstellung über private Sammler-Logik, fragte nach dem Wie des Findens und Sammelns – wobei auch mal das garstige Wort „Atelier-Ware“ fiel –, nach Eitelkeiten, Lieblingsbildern und Austausch mit Gleichbestallten. Als Antwort auf die Publikumsfrage, woran man denn nun gute Kunst erkenne, antwortete Kienzle, der laut Internet ständig zu solchen Sammler-Gesprächen eingeladen wird: „Sehen, sehen, sehen und ständig vergleichen!“ Ob das dem Anfänger hilft, ist eher zweifelhaft. Wenigstens fragte inmitten dieser Kühle ausstrahlenden Exposition auch mal jemand nach dem Herzen eines Sammlers. Die Sprache der ersten Plauderei blieb ja bis ins Publikum hinein ebenfalls kühl und exakt, man hielt sich an die Begrifflichkeit der Kunstakademien, kritisierte die immer schlechter werdende Kunstkritik in der deutschen Presse, bog sich die Zunge, um ein Bild wie „Grundierung 1“ von Franz Erhard Walther zu beschreiben – und machte nota bene klar, wer hier die Wächter und Hüter der Bilder seien: die Geschulten, Verständigen, Eingeweihten – die Wächter der Aliens.

Die Ausstellung „Alien – unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel wird bis zum 31. Juli verlängert. Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 12-18 Uhr

Gerold Paul

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