
© Manfred Thomas
Ausstellung in der Villa Schöningen: Die weiße Leinwand und die Freiheit
Die Villa Schöningen zeigt Bilder von Marcel Eichner: Farbe, Form, Linie, Gegenstand und Raum gelangen bei ihm in artistische Höhen
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„Niemand hält einem Künstler einen Regenschirm über den Kopf“, stellt Marcel Eichner fest. Einsam sei er zunächst einmal gewesen, als er vor einigen Jahren von Düsseldorf nach Berlin zog. „Das Clubleben habe ich überhaupt nicht registriert. Ich habe ausschließlich gemalt“, bemerkt der 35-jährige Künstler. Malen aber sei zu weiten Teilen eine recht einsame Angelegenheit: „Man steht vor der Leinwand und ist ganz auf sich selbst zurückgeworfen.“ Ob sich ein Käufer finden würde, lasse sich nie voraussagen. Also gelte es, im Innern nach Bildern zu suchen, sich ganz auf das konzentrieren, was dort an unmittelbarer Bildersprache zu finden sei. Daraus ergebe sich dann eine große Freiheit. Die Möglichkeit, mit Bildelementen, Zitaten, der Kunstgeschichte zu spielen und immer neue Formen und Zusammenhänge herzustellen.
Diese Freiheit und Ungezwungenheit spricht unmittelbar aus den Bildern von Eichner, die nun in der Villa Schöningen zu sehen sind. Die Titel sind eher unspektakulär: „Primitiv“, „Konfetti“, „Alien“. Die Bilder aber spiegeln eine ungebrochene Freude am Jonglieren mit den elementaren Mitteln der Malerei: Farbe, Form, Linie, Gegenstand und Raum gelangen dabei in artistische Höhen. Um das zu bemerken, muss sich der Betrachter allerdings erst einmal auf den Rhythmus und das Farbspektrum der Bilder einlassen.
In aufgerissenen Formen und wüst gekritzelten Linien preschen Schwarz und Gelb in allerlei Nuancierungen über die Leinwände. Spielkarten fliegen durch den Raum, kopflose Männer kraulen sonderbare Vögel, Finger fallen fluffig von Vierecken in die Fläche. Die Bilder sind nicht glattgeschliffen, sondern mit viel Herzblut aus den Innern herausgeschabt.
Sie hängen in der Villa Schöningen eine Etage tiefer als die derzeitige Ausstellung, in der gegenwärtig Gemaltes aus den 50er- und 60er-Jahren zu sehen ist. Die Zusammenstellung ist nicht zufällig. Der Leiterin des Ausstellungshauses, Ina Grätz, war die Nähe der Bilder Eichners zur Formensprache des Informel und Tachismus aufgefallen, Kunstrichtungen, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts einen neuen Ton angaben.
„Nein, ich grenze mich nicht bewusst ab“, stellt der Künstler fest, als er auf die immer noch recht präsente, häufig illustrative Malereiströmung des vergangenen Jahrzehnts angesprochen wird. Er habe einfach keine Lust, Farbklänge und Gegenstände so wie vom Foto vorgegeben oder auch bewusst verfremdet abzumalen. Es gehe ihm um das Originäre und die Klarheit, die sich im Dialog mit der weißen Leinwand einstellen könne. Die Fantasie spreche, auch dann, wenn er erkennbar Gegenständliches male.
Nach dem reinen Klang hatten in den 50er-Jahren schon andere gesucht. Constant und Asger Jorn, Jean Dubuffet, wohl auch Jackson Pollock. Ein wenig Emilio Vedova spukt ebenfalls durch die Bilder von Eichner. Die Altvorderen haben einen Kanon definiert, der einige Zeit in den Hintergrund gerückt war, gegenwärtig aber von Malern wie Eichner neu entdeckt wird. Von dem früher gelegentlich ostentativ praktizierten Geniekult allerdings grenzt sich Eichner bewusst ab. „Ich mache keine große Schau und will auch nicht bewundert werden“, bemerkt der groß gewachsene, schöne Mann, dessen äußere Erscheinung durchaus angenehm auffällt. Dabei tänzelt er leichtfüßig durch den Raum, seine schwingenden Arme wie im Nachzeichnen der Linien auf der Leinwand begriffen.
Gerade der Geniekult, der auch an der Akademie praktiziert werde, habe ihn so abgestoßen, dass er während des Studiums nach Berlin geflüchtet sei. Erst als in Düsseldorf ein „neuer Wind geweht“ habe, seien der Unterricht und die Möglichkeiten an der Hochschule wieder interessant für ihn geworden. In einer Gruppenausstellung, organisiert im Zusammenhang mit der Hochschule, bemerkte ein bekannter Galerist seine Bilder und lud ihn zu einer ersten Einzelausstellung ein.
„Ich male nicht für einen fremden Geschmack“, betont Eichner. Ein klares malerischen Konzept, das er gewissenhaft abarbeite, habe er auch nicht. So sähen Betrachter in seinen Bildern häufig Geschichten und Begebenheiten, an die er gar nicht gedacht habe. Er lasse dem Betrachter gerne die Freiheit, die auch er beim Malen verspürt habe.
Zu sehen in der Villa Schöningen, Berliner Straße 86, bis 28. April, Do und Fr von 11 bis 18 Uhr, Sa und So von 10 bis 18 Uhr
Richard Rabensaat
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