Kultur: Die Würde des Raumes
Fotos von Manfred Hamm bei „Stadt für eine Nacht“
Stand:
Es sind die Dinge die verschwinden, die ihn interessieren. Das sagt Manfred Hamm, dessen Fotografien das Potsdam Museum beim Festival „Stadt für eine Nacht“ zeigt. Darauf zu sehen ist das mittlerweile fast verschwundene Potsdam: verfallene Türme, Lagerhäuser am Wasser, Gerippe von abgewrackten Gasometern. Es sind Bilder des ehemaligen Gaswerksgeländes mit der Zichorienmühle, Fragmenten des Gasbehälters und einem Blick über das Gaswerk zum Flatowturm im Park Babelsberg.
Der in Zwickau geborene Fotograf siedelte 1955 nach Köln über und lernte Potsdam erst nach dem Fall der Mauer kennen. Die Bilder, die nun das Potsdam Museum zeigt, entstanden 1996. „Es war eine Übergangszeit“, so Hamm. Reste der Mauer waren noch da, aber die Hinterlassenschaften der untergegangenen DDR verschwanden langsam. Die noch vorhandenen Reste wollte Hamm festhalten. Eigentlich habe er Ethnologie studieren wollen, daher rühre möglicherweise sein spezielles Fotointeresse.
Hamm sieht sich als visuellen Archäologen, der Dinge aufs Foto bannt, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, aber noch als Monumente einer vergangenen Zeit besichtigt werden können. Sein erfolgreichstes Projekt trug daher folgerichtig den Titel: „Die antiken Stätten von morgen“. Maschinenhallen und Gießereien, rostende Piers in Manhattan und Trockendocks in Antwerpen zeigt der Fotoband. Wie mit gutem Wein sei es mit seinen Fotografien, so Hamm. Mit der Zeit würden sie immer besser. Der Abstand zum Zeitpunkt der Aufnahme mache immer deutlicher, welchen Fokus der Fotograf gelegt hat. Hamm nutzt für seine Aufnahme kein künstliches Licht und vermeidet auch schräge Winkel und schrille Perspektiven. Das überzeugte auch das Potsdam Museum, das mit rund 100 000 Einzelmotiven über die wohl ausführlichste Sammlung von Fotografien zur Stadtgeschichte verfügt. Viele der Aufnahmen, die das Museum in einem Konvolut von Hamm erworben hat, zeigen Gebäude, die heute nicht mehr existieren oder völlig verändert sind, wie die Schiffbauergasse oder die Potsdamer Dampfmahlmühle.
Während Fotografen aus den östlichen Bundesländern nach der Wende zunächst die Reisefreiheit mit Bildern aus exotischen Ländern feierten, habe sich Hamm Potsdam mit dem Blick von außen genähert, so das Museum. Zeitzeugen erläutern bei der „Stadt für eine Nacht“ die Fotos, von denen ein Großteil sich mit dem Areal der Schiffbauergasse beschäftigt.
Hamm lädt den Betrachter ein, im Bild spazieren zu gehen. Obwohl er das Fotografieren am Theater lernte, interessierten ihn die Inszenierung und der Schnappschuss eigentlich nicht. Es geht ihm um das Geschaute in seiner Gesamtheit. So entstehen stimmungsvolle Momentaufnahmen, die nur dann einen besonderen Betrachterstandpunkt wählen, wenn dies dem Objekt angemessen erscheint.
Mit der Fotografie über die Dächer der stillgelegten Fabrik zum Turm in Babelsberg hin schafft Hamm einen gestaffelten Anblick des Geländes. Das Bild des Mühlenturms aus der Untersicht wirkt wie das einer mattgesetzten Schachfigur. „Jeder Raum hat seine Würde“, findet Hamm. Die gelte es zu erfassen. Dass der Fotograf hierbei nach Inhalten und nicht nach einem vorgestanzten Schema vorgeht, unterscheidet ihn von anderen Architekturfotografen. Allerdings ist Hamm eingeschworener Liebhaber der analogen Fotografie. Deshalb fotografiere er heute kaum noch, gesteht er. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: