Kultur: Do swidanija, Potsdam
Fotos von Frank Gaudlitz und Joachim Liebe erinnern im Potsdam-Museum an Abzug vor zehn Jahren
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Fotos von Frank Gaudlitz und Joachim Liebe erinnern im Potsdam-Museum an Abzug vor zehn Jahren Von Heidi Jäger Zehn Jahre sind es her, dass russische Soldaten Deutschland verließen. Eine Ewigkeit, möchte man meinen – so weit liegen die Erinnerungen zurück. Welche Erinnerungen eigentlich? Die an meterhohe blicksichere Mauern, an Laub fegende, fröstelnde Muschkoten, an Russenmagazine mit „Mischka“-Konfekt und Letscho. Erinnerungen an den Menschen hinter der Uniform gibt es hingegen kaum. Er blieb hinter dem Kasernentor verschlossen. Als dann 1991 mit dem Abzug der GUS-Truppen begonnen wurde, hielt manch“ neugieriger Fotograf seine Kamera auf die verborgenen, düsteren Zustände. „Die reinste Piraterie, denn erwischen lassen durfte man sich nicht – entweder wurde man verhaftet oder landete beim Wodka“, so der Potsdamer Fotograf Frank Gaudlitz. Seine „Schnappschüsse“ und Porträts machten damals Aufsehen erregend die Runde, wurden in Ausstellungen und auch meterhoch am einstigen Militärgelände, das sich zur BUGA mauserte, gezeigt. Auch der Potsdamer Fotograf Joachim Liebe dokumentierte den gewaltigen Truppenabzug mit eindringlichen Momentaufnahmen. Jetzt gibt es also im Potsdam-Museum eine Wiederbegegnung mit den zum Teil bekannten Motiven der Zwei. Trotz der Vertrautheit nehmen sie wieder gefangen. Trostlosigkeit und Leere spricht aus den bedrückenden Bildern. Plötzlich wird auch der Mensch präsent, ungeahnte Schicksale besetzen die Fantasie. Die, die 50 Jahre in unserer Nachbarschaft lebten, bekommen Gesichter und bleiben doch Fremde. „Die Offiziere fühlten sich durch den Abzug in der kurzen Zeit von drei Jahren tief gedemütigt. Schließlich fühlten sie sich als Deutschlands Befreier“, so Frank Gaudlitz. Dem Soldaten hingegen sei es sicher egal gewesen, ob er in Wladiwostok oder Potsdam diente. Für ihn habe die Welt der Kasernen überall unmenschlich ausgesehen. Die Ausstellung des Potsdam-Museums mit rund 50 Arbeiten richtet seinen Focus vorrangig auf Potsdam, auf Krampnitz, Nedlitz, Bornstedt Krakenförmig durchzogen die russischen Einrichtungen die Stadt, wie ein erstmals veröffentlichter Lageplan verdeutlicht. Hannes Wittenberg, Bereichsleiter Geschichte und Kunst vom Potsdam-Museum, hat nicht nur die Kasernen geortet, sondern auch Lazarett, Druckerei, KGB, Post oder den nahe der Glienicker Brücke gelegenen Radiosender „Wolga“ darauf eingetragen. „In etwa zwei Wochen bietet das Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte diesen Lageplan zum Verkauf “, kündigte Wittenberg gestern vor der Presse an. Wenn heute die von Peter Herrmann kuratierte Ausstellung „Do swidanija, Potsdam“ eröffnet wird, werden sich zahlreiche Soldatenporträts teppichartig auf dem Boden ausbreiten. Der Besucher wird aufpassen müssen, dass er sie nicht mit Füßen tritt. Es sind Fundstücke: aus vergessenen, verletzten Negativen gerettete, unverstellte Gesichter, die Frank Gaudlitz aufarbeitete. Da die Kasernen besenrein übergeben werden mussten, wurde vieles vergraben, was danach wieder mühselig ausgebuddelt wurde. Die Fotos kamen in die richtigen Hände, andere Fundstücke landeten auf der Deponie. Es gab ganze Container mit persönlichem Hab und Gut der Soldaten, die entsorgt wurden, nie den Besitzer erreichten. „Jahrhundertelang wurde Potsdam durch die Militärs geprägt. Mit dem Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte sind die Uniformen aus dem Stadtbild verschwunden. Insofern ist die Ausstellung nicht nur ein allgemeines Erinnern, sondern auch Teil der Potsdamer Geschichte“, so Hannes Wittenberg. Zur Eröffnung heute 15 Uhr Benkertstraße 3 singt eine russische Sängerin Soldatenlieder.
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