Kultur: Dornenzeit
„Er hatte keine Gestalt, die gefallen hätte“
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„Er hatte keine Gestalt, die gefallen hätte“ „Dornenzeit“ – das sind für die Potsdamer Friedensgemeinde und ihre Gäste Texte und Musik zur Passion. Am Samstag fand die letzte Andacht vor dem Karfreitag (Musik zur Sterbestunde, 15 Uhr) statt, wieder im kleineren Kreis, man kennt nun manche Gesichter. Diesmal übernahm Pfarrer Markus Schütte den Vortrag des Wortes, Sophie Malzo (Sopran) und Tobias Scheetz (Orgel) prägten den Nachmittag durch eindrucksvolle musikalische Interpretationen. Er stand vorwiegend im Zeichen von Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert, mithin von Tonkünstlern wie Joseph Rheinberger, Carl Loewe und Friedrich Mergner, welche das Notensetzen zugleich als Gottesdienst verstanden. Auch Bach tat das, wie man im Zentrum dieser andachtsvollen Stunde mit der opulenten, weil variationsreichen Orgelpartita über „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ erleben konnte. Zuvor war dieser Part in einer Vokalfassung aus Schemellis Gesangbuch zu hören, ganz schlicht, sehr schön: Zweimal Bach, gut zum Vergleichen. Aus Loewes Passionsoratorium „Das Sühneopfer des neuen Bundes“ sang die Sopranistin auf der Orgelempore mit geschulter „Kirchenstimme“ Einleitung und das Arioso „Ach seht, der allen wohlgetan, er leidet Schmach und wird verhöhnet“ – klarer Ausdruck, gutes Volumen. Damit war auch das Anliegen dieser Begegnung benannt, denn Jesu Passion nähert sich ihrem Ende. Aus Jesaja 53 wird vielleicht deutlicher, warum die Juden ihren König nicht als Gottes Sohn erkennen wollten: Wer alle Last, auch jede Krankheit der Welt freiwillig auf sich nimmt, wird davon gezeichnet, und also gehöhnt und verspottet – wenigstens bis zur Verklärung. Passgenau dazu die neutestamentliche Lesung, Jesu Gefangennahme und Folter nach Matthäus 27. Zur Meditation sprach Pfarrer Markus Schütte mit ruhiger Stimme das bekannte Bonhoeffer-Gedicht „Wer bin ich?“, 1944 im Gefängnis zu Tegel entstanden, ein sehr inniger Text, ganz aus Hoffnung und Zweifel gemacht. Das prägt sich ein. Elegisch und festlich erklang das Kyrie aus Rheinbergers „Missa puerorum“ mit betont schlichter Melodieführung, zum erhabenen Beschluss Friedrich Mergners Vokalstück „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ aus „Paulus Gerhardts geistlichen Liedern in neuen Weisen, 1876. Eine musikalische Andacht diesmal, gut, dass es „Dornenzeit“ gibt. Gerold Paul
Gerold Paul
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