Kultur: Dramatische „Kahnpartie“
Das Theaterschiff hat nach seiner Tour zum Malta-Festival in Poznan wieder in Potsdam angelegt
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Mit ihren „Versunkenen Geschichten“ wären sie fast selbst versunken. Genau mit Premierenbeginn dieser speziell für die deutsch-polnische Theaterschiffstour entwickelten Inszenierung schüttete es wie aus Eimern. „Nach einer halben Stunde mussten wir die Vorstellung zur Eröffnung des Malta-Theaterfestivals in Poznan abbrechen, um Technik und Kostüme zu retten“, erzählt Katrin Schüring, die Geschäftsführerin der Stadt-Spiel-Truppe von ihrer feucht-fröhlichen Sommertour. „Und es windete so stark, dass sich der Kahn vom Ufer löste und der Steg ins Wasser fiel. Damit kamen die Premierenbesucher nicht mehr von Bord. Doch das ließ sie nicht verdrießen, sie gingen unter Deck und tanzten dort zu unserer Musik.“ Währenddessen sicherten die Hilfsmatrosen auch wieder den Rückzug aufs Festland.
Die als Open-Air-Inszenierung angelegten „Versunkenen Geschichten“ blieben auch in den folgenden Tournee-Wochen in der Versenkung, denn während der gesamten Tour auf Havel, Oder und Warthe war der Regen der treueste Begleiter. „Wir hatten keine Chance, das Boot trocken zu kriegen. Jeden Tag telefonierten wir mit einem Potsdamer Meteorologen, doch der konnte uns auch nur ein Tief nach dem anderen verkünden.“
Dennoch wurde fleißig Theater gespielt, schließlich hatten sowohl die Potsdamer als auch die Polen noch andere Inszenierungen mit an Bord, die unter Deck gezeigt werden konnten. „Das polnische Publikum war vor allem von unserem ,König Ubu“ sehr angetan und auch von der Kleinen Liebesgeschichte des Studios Teatralne Proby.“ Kennengelernt haben sich die freien Theatergruppen im vergangenen Oktober in Poznan. „Wir freundeten uns an und beschlossen, im Sommer gemeinsam auf Fahrt zu gehen.“
Es war nach fünfjähriger Pause wieder das erste Mal, dass der Potsdamer „Sturmvogel“ seinen Heimathafen verließ. Die Hilfsmatrosen und Schiffswärter der deutsch-polnischen Besatzung waren zugleich auch die Spieler. „Wir gaben zumeist fünf Vorstellungen am Tag, zwischendrin musste auf- und abgebaut und das Catering organisiert werden. Es war schon Schwerstarbeit“, so Katrin Schüring. Doch selbst eine Orkanwarnung konnte die spiel-besessene Crew, die auch auf dem Schiff wohnte, nicht davon abhalten, weiter nach Gorzow zur 750-Jahrfeier zu fahren. Dort galt es, den Brandenburgischen Präsentationstag mit zu gestalten. „Ich fuhr mit meinem Auto parallel zum Schiff, um notfalls die Besatzung versorgen zu können.“
Dass sie sicher ihre Ziele erreichten, verdankten sie vor allem auch den versierten Schubern: Bis Küstrin wurde der motorenlose Theaterkahn von der Familie Röper geschoben, dann wurden sie dem polnischen „König der Warthe“ übergeben, der sie dann durch die Gewässer zog. „Zu den Vorstellungen kam der Schuber immer zu uns rüber, ganz angetan vom Theaterspiel. ,Solche Fracht habe ich noch nie gehabt. Euch fahre und schiebe ich überall hin“, zeigte er sich ganz euphorisch.“
Inzwischen ist die Crew wieder in der Potsdamer Alten Fahrt angekommen und gibt das volle Programm. Der Mast ist gestellt, der Blick von der Langen Brücke wieder komplett.
Am 10. August wollen die Schauspieler einen erneuten Versuch wagen, die „Versunkenen Geschichten“, die von der Entstehung der Welt, ihrem Untergang und der Auferstehung erzählen, zur kompletten Aufführung bringen. Die polnischen Künstler reisen gern wieder an: schließlich haben sich während der drei Wochen nicht nur die Freundschaften gefestigt, sondern auch Lieben gefunden. Dennoch geht es nächsten Sommer nicht nach Polen: „Zwar stechen wir wieder in See, wenn der im Juni anstehende TÜV es erlaubt. Doch wohin, verraten wir noch nicht.“Heidi Jäger
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