Kultur: Drei Männer und drei Hühner
Der südafrikanische Choreograf Boyzie Cekwana und sein Weg zum Tanz
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Dass man einen einstigen Szene-Kulturstandort wie die Schiffbauergasse totsanieren könne, kann sich der Südafrikaner Boyzie Cekwana beim besten Willen nicht vorstellen. Der Tänzer und Choreograf sitzt in der Teeküche der „fabrik“ und lacht, lacht verwundert darüber, dass in Potsdam manchen das Ergebnis der städtischen Fördermittelpolitik nicht gefällt. „Wir haben zwar mehr Besucher als früher“, sagt Laurent Dubost von der „fabrik“. „Aber viele langjährige Nutzer fühlen sich, nachdem die Stadt Millionen in das Areal gepumpt hat, hier nicht mehr wohl.“ Gerade hat Boyzie Cekwana erzählt, wie in seinem Heimatland die freie Tanzszene den Bach runtergeht. Geld für Kunst, meist von privaten Sponsoren, gibt es fast ausschließlich für das, was sich gut und schnell verkauft, „Broadwayzeug und Kitsch“, klagt er. Und dann hört er von den Potsdamer Luxusproblemen.
Boyzie Cekwana ist bei den 23. Potsdamer Tanztagen zu Gast. Der Tänzer und Choreograf gehört zu den namhaften Künstlern Südafrikas, er hat sich trotz schwieriger Umstände hochgearbeitet. Tanzen, Tänzer werden, das wollte er schon immer, sagt er, auch wenn er lange nicht wusste, wie eine Profikarriere vor allem unter den politischen Vorzeichen funktionieren sollte.
Cekwana wurde 1970 in Soweto geboren und gehört zur Generation, die noch das Apartheid-Regime erlebt hat. So richtig reden will er darüber aber nicht. „Ihr stellt alle die gleichen Fragen“, sagt er entnervt. „Warum beginnt man zu tanzen? Weil man schwarz ist? Oder arm? Ich wollte Tänzer werden, wie andere vielleicht unbedingt Buchhalter werden wollen.“ Mit 16 Jahren gehört er zu einer Gruppe Jugendlicher, die in einer Boxhalle trainiert, auf zerbröselndem Betonfußboden, ein Tanztrainer, der ein bisschen Ahnung hat, kommt dazu.
Dann kommt die Wende – Südafrika erlebt, was auch in Europa passiert. „Das Jahr 1989 war auch für uns wichtig“, sagt Boyzie Cekwana. „Präsident Peter Botha erlitt einen Herzinfarkt und musste zurücktreten. Damit machte er den Weg frei für seinen Nachfolger, der Mandela aus dem Gefängnis entließ.“ 1994 wird offizell das Ende der Apartheid verkündet, Cekwana spricht am Küchentisch über Reisefreiheit und die neue Medienflut, wie sie damals auch die DDR-Bürger erlebten. Und dass sich damals plötzlich eine florierende alternative Kunst- und Tanzszene entwickelte. Cekwana fühlte sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. „Das dauerte zehn Jahre, dann war es irgendwie vorbei“, sagt er. Boyzie Cekwana beginnt zu reisen, vernetzt sich mit der internationalen freien Tanzszene und ist schon zum zweiten Mal in Potsdam. Im April hat er als „Artist in Resindence“ hier gearbeitet. Sein Zuhause sind seine Mutter und die Geschwister, sagt er, eine eigene Familie hat er nicht. Das Leben aus dem Koffer gebe ihm Freiheit, er sei unabhängig und nur sich selbst verpflichtet.
Irgendwie habe sich mit der Wende in Südafrika auch sein Tanzen verändert, sagt er. Natürlich verändere man sich ohnehin mit der Zeit, aber das war ein wichtiger Einschnitt: „I was reborn“, wiedergeboren. Er habe sich selbst, seine Arbeit, neu reflektiert, sei selbstbewusster geworden. Dieses Selbstbewusstsein resultiert meist in Stücke mit politischen Aussagen, denen er einen speziellen Humor dazu gibt. Der Titel seiner Performance „In Case of Fire, run for the Elevator“, die er in Potsdam vorstellt, lässt vermuten, dass es um absurde Zusammenhänge gehen könnte. Doch das Stück hat konkret weder mit Feuer noch mit Fahrstühlen zu tun.
„Es ist eine Performance für drei Männer und drei Hühner“, sagt Cekwana und gibt sich geheimnisvoll. Er will die Lebensmittel ins Zentrum rücken: als Metapher für Wohlstand, Gerechtigkeit und Macht. Für Liebe und Privilegien. „Ich übe aber keine Kritik, ich kommentiere lediglich. “ Ganz wichtig sei es, das Stück nicht als eines über Südafrika zu sehen: „Das ist eine globale Geschichte.“ Die Hühner, gemietet bei einem Tierverleih in Potsdam, müssen im Übrigen nicht viel tun. Sie sind trainiert, möglichst kooperativ still zu sein. Für den Auftritt musste sich die „fabrik“ allerdings eine behördliche Genehmigung besorgen, so Laurent Dubost. „Für drei Hühner! Wir haben doch keine Massentierhaltung!“ Auf die Frage, ob er womöglich Vegetarier ist, kann Boyzie Cekwana nur herzlich lachen.
„In Case of Fire Run for the Elevator“ am heutigen Donnerstag und Freitag, jeweils 20 Uhr, im T-Werk in der Schiffbauergasse
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