Kultur: Drei Päpste – drei Männer
(Tanz)-Stück von Marie-Josée Chartier in der fabrik uraufgeführt
Stand:
(Tanz)-Stück von Marie-Josée Chartier in der fabrik uraufgeführt Albe, Dalmatika, Kasel, Tunika, Stola und Mitra – all dies gehört zur Pontifikalkleidung der Päpste, seit vielen Jahrhunderten. Ehe die Heiligen Väter das „volle Ornat“ für die liturgische Feier übergezogen haben, dauert es sicherlich eine lange Zeit, eine lange Weile. Glücklicherweise verzichtete man während der Aufführung in der fabrik auf die Pontifikalschuhe und Handschuhe, sonst hatte sich das Anziehen noch länger hingezogen. In aller Gemütsruhe, dem heiligen Anliegen angemessen, brüderlich helfend, kleideten sich die drei Darsteller – Michael Sean Marye, Sven Till und Dan Wild – an. Für „Screaming Popes“ (Schreiende Päpste) wird dieser Verkleidungs-Aufwand betrieben, einer Inszenierung der fabrik, die in Zusammenarbeit mit Chartier Danse aus Kanada entstand. Deren künstlerische Leiterin Marie-Josée Chartier hat die Choreographie für das (Tanz)-Stück übernommen. Das Programmheft erzählt von einer surrealen Reise von drei Päpsten, also drei Männern, von ihrer Psyche. Inspiriert wurde die Choreographin durch Bilder des englischen Künstlers Francis Bacon. Surrealität will sich jedoch erst am Ende des Theaterabends einstellen, vorher erlebt man eher einen blassen Bilderbogen von Ritualen. Wie ein nicht aufhörendes Präludium erlebt der Zuschauer die Ankleidungsszenen, der Bau der einzelnen Papstgehäuse aus Plastikstäben, die an Gregorianik erinnernden Gesänge (sehr intonationsrein), die genau ausziselierten Bewegungen. Wirkliche Bewegung in das Geschehen kommt erst, wenn die Männer in ihren Räumen allein sind. Eitelkeiten und vor allem das Verlangen nach Sex beschäftigen sie. In ihren gemeinsamen Aktionen dann, in Kämpfen und Tänzen, können sie sich darin ausleben. Schließlich kommen sie zur Ruhe. Sie breiten ihre mit Pelz gefütterten Kasel aus, lagern wie die Hirten, die die Päpste ja sein sollen, andächtig auf der „Wiese“. Marie-Josée Chartier will die Verhaltensmuster und seelischen Zustände des Mannes anhand der Papst-Gestalten verdeutlichen, vor allem das Posieren mit der Macht. Dies gelingt ihr und den Darstellern nur stellenweise: bei den sexuellen Begierden, den Kämpfen oder bei den an Südamerika erinnernden Tänzen. Vor allem Michael Sean Marye und Dan Wild überzeugen durch engagiertes Einleben in die Gestalten, Sven Till hatte zu seinem Part wohl eher ein distanziertes Verhältnis. Der Komponist Alex Nowitz traf mit seiner Stimme, den Geräuschen, der Musik, life und elektronisch, durchweg den surrealen Ton, den die Choreografin für die Szenen erhoffte. Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: