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Kultur: „Du musst selbst eine Welle sein“

Die Sprotte-Stiftung hält mit rund 3 000 Werken das facettenreiche Schaffen des Malers zusammen. Viele der Bilder der 2004 verstorbenen Bornstedter Künstlers wurden noch nie gezeigt - im April eröffnet das Potsdam Museum eine große Schau.

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Im April eröffnet im Potsdam Museum unter dem Titel „Die Welt farbig sehen“ eine große Retrospektive zum 100. Geburtstag des Potsdamer Malers Siegward Sprotte. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern wird Sprottes Lebenswerk in seiner Komplexität gezeigt: 175 Arbeiten des Künstlers, die von 1929 bis 2003 entstanden sind. Mit Beiträgen in loser Reihenfolge stimmen die PNN auf diese Ausstellung ein.

Er hat selbst drei kleine „Sprottes“ zu Hause. Gute-Laune-Bilder, wie Wieland Eschenburg sagt. Grashalme und Blumen aus der späten, sehr freien Malphase von Siegward Sprotte. „So richtige Sommerbilder, toll in ihren kraftgebenden und farbenfrohen Assoziationen.“ Wenn Wieland Eschenburg über Siegward Sprotte spricht, schwingt da eine große Begeisterung für den Maler, aber auch für den Menschen mit. Die letzte intensive Begegnung, die er mit dem 2004 verstorbenen Bornstedter Künstler hatte, war zur Eröffnung der Buga 2001. Da bestritt er gemeinsam mit ihm und dessen Frau Cosmea den Eröffnungsrundgang. Anschließend saßen sie noch zusammen und erzählten. „Das Faszinierende war Siegward Sprottes ganz offener Blick. Man fing an zu plaudern und spürte sofort: Die Gedanken fallen auf einen guten Boden. Es war eine so starke Konzentration, die ich da empfunden habe. Und immer hatte ich das Gefühl: Ja, er meint dich.“

Als Wieland Eschenburg, der viele Jahre Kulturdezernent in Potsdam war und auch einige Sprotte-Ausstellungen miteröffnen konnte, von der Familie des Malers gefragt wurde, ob er in der Stiftung mitarbeiten würde, musste er nicht lange überlegen. Inzwischen ist der jetzige Leiter des Büros des Cottbuser Oberbürgermeisters neben dem ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und dem Notar Manfred Schryen im Stiftungsvorstand. Die vornehmlichste Aufgabe dieser Stiftung, die Sprotte 1992 selbst zur Bewahrung seines Werkes initiiert hatte, ist die Pflege und Aufarbeitung der eng miteinander verwobenen malerischen und sprachlichen Lebensarbeit. Die Stiftung, in der acht Mitglieder sowie der dreiköpfige Vorstand tätig sind, besitzt aus allen Arbeitsepochen eine umfangreiche Sammlung an Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen. Auch bislang unveröffentlichte Texte und Tagebuchaufzeichnungen Sprottes sind dort gut verwahrt und harren ihrer Sichtung.

Für die am 14. April beginnende Ausstellung ermöglichte die Stiftung den Mitarbeitern des Potsdam Museums, dass sie in aller Ruhe und Akribie die rund 3000 Werke im Depot in Bergholz-Rehbrücke durchkämmen konnten. Rund 80 Prozent der 175 in der Ausstellung gezeigten Arbeiten kommen von dort, die anderen von der Familie, privaten Leihgebern und vom Potsdam Museum selbst.

„Viele Werke wurden noch nie gezeigt“, sagt Museumschefin Jutta Götzmann, selbst Stiftungsmitglied. Sie legte Wert darauf, dass gerade das in Potsdam entstandene Frühwerk anlässlich der Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag Sprottes zur Geltung kommt. In seiner ersten künstlerischen Phase lehnte sich Sprotte an die altmeisterlichen Techniken der italienischen und auch der deutschen Renaissancemaler an. Zu seinen Vorbildern gehörte beispielsweise Albrecht Dürer. Vor allem aber war es Karl Hagemeister, der dem Jungsporn Sprotte das Malen und insbesondere auch das Sehen lehrte. „Wenn du eine Welle malen willst, musst du eine Welle sein“, riet ihm der Werderaner Altmeister. Dieses Hineinversetzen und Aufsaugen der Stimmung prägte sich bei Sprotte immer stärker aus, und am Ende seiner Schaffenszeit reichten wenige breite Pinselstriche, um das Wesentliche zu offenbaren.

Auch das wird in der Ausstellung ablesbar sein; denn das Frühwerk wird den späteren Phasen gegenübergestellt. Es gibt keine chronologische, sondern eine thematische Herangehensweise. In acht Komplexen wie „Porträt“ oder „Farbenmeer und Woge“ kann der Betrachter die Entwicklung des Künstlers, der ein ganzes Jahrhundert durchschritt, nachempfinden. „Die meisten kennen nur seine Blumenbilder, vor allem durch den beliebten Sprotte-Kalender. Wir wollten natürlich mehr bieten: das Vielfältige und Interdisziplinäre des Künstlers vorführen, der sich zeitlebens auch mit Literatur und Sprache beschäftigt hat“, betont Jutta Götzmann. Dieser sprachliche Kontext wird sich durch Sprotte-Zitate an den Ausstellungswänden spiegeln und auch in einer Medienstation erlebbar sein.

Dem reisenden Sprotte darf man ebenfalls folgen. Der umtriebige Maler arbeitete immer im Halbjahresrhythmus: ein halbes Jahr auf Sylt und ein halbes Jahr im Süden, besonders gern auf Madeira und in Italien. Und zwischendrin immer wieder in Potsdam, im Katharinenholz, wo sein Elternhaus stand. Das hatte er abtragen und dafür ein schlichtes Atelier- und Begegnungshaus bauen lassen mit freiem Blick in den 10 000 Quadratmeter großen Garten und in die weite Feldflur. „Der ist heute allerdings durch die dichte Bebauung von Semmelhaack eingeschränkt“, wie Eschenburg anmerkt.

Auch in dem Atelierhaus wird es neben der Ausstellung im Potsdam Museum im April eine vom Sohn Armin Sprotte kuratierte Mini-Schau geben. „Wie eine kleine Begleitmusik, die vor allem das Authentische des einstigen Schaffens- und Gesprächsortes zum Klingen bringt“, so Eschenburg. Dass Siegward Sprotte 1945 seine Heimatstadt verließ und nach Sylt aufbrach, habe keine politischen Gründe gehabt, betonte er. Sprotte sah sich weit entfernt von irgendwelchen „Ismen“ und ließ sich auch nicht in festgefügte Stile einordnen. Er folgte einfach dem Ruf der Landschaft. „Im Großen und Ganzen fällt das Loslösen von seiner altmeisterlichen Technik aber mit seinem Umzug an die Nordsee zusammen. In den 50er Jahren griff Sprotte noch einmal darauf zurück, als er eine Serie mit Philosophenköpfen malte“, ergänzt Jutta Götzmann. Es gibt also immer wieder Überraschungen in diesem prallen Lebenswerk, das durch die Stiftung in seiner Gänze erhalten geblieben ist. Sowohl für Jutta Götzmann als auch für Wieland Eschenburg ist es wichtig, dass Sprottes Werk im Bewusstsein der Menschen weiterlebt. „Es kennen ihn sehr viele, aber bestimmt nicht genug. Und Sprotte, der 2003 Potsdamer Ehrenbürger wurde, hinterließ ein ganz besonderes Stück Potsdamer Kunstgeschichte“, so Wieland Eschenburg. Es werde in der Ausstellung ein Lebensbogen beschrieben, von Bornstedt nach Bornstedt. „Manch einer geht in die Welt hinaus und sagt, die Heimat ist weit weg von mir. Bei Sprotte war das anders.“

Eschenburg hat ihn als Menschen mit einer ganz großen Gedankenwelt erlebt. „Er gab ein Wort rein und das ging gleich auf mehrere Umlaufbahnen. Aber es entfernte sich nie ganz, es blieb hängen.“

Der engagierte Vertreter aus dem Stiftungsvorstand und ausgemachte Sprotte-Fan versteht sich als Netzwerker, der mit seinen landesweiten Kontakten für den Maler wirbt und gern auch auf Sponsorensuche geht. Und jetzt allerorten Einladungen für die Ausstellung verteilt, die nach Potsdam dann auch im schleswig-holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf zu sehen sein wird. Wieland Eschenburg trägt seine Begeisterung für Siegward Sprotte voller Überzeugung weiter: weil ihm gefällt, wie der Maler durchs Leben gegangen ist und weil ihn das Werk fasziniert. „Ich finde diesen Spannungsbogen von der anfänglichen Präzision, mit der er als junger Bursche gemalt hat, bis hin zu den ganz reduzierten Momentaufnahmen, einfach toll. Wenn man in Sylt den Strand langläuft, sieht man überall Sprotte. In den Wellen, im Himmel. Und dazu hat man seine Stimme im Ohr.“

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