Kultur: Dublin war „harte Schule“
Das Offizze tanzt beim „Wilden November“ in der Russenhalle
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In der Schiffbauergasse herrscht ein „Wilder November“. Während sich heute Abend bei der Premiere des riesigen Theaterspektakels „Mad King Cool“ Tafelritter, Gralshüter und Abenteurer durch die Russenhalle kämpfen, drehen sich dort in der kommenden Woche Tänzer von „Oxymoron“ auf dem Kopf.
„Oxymoron“ ist das jüngste Kind des Kulturstandortes. Es ist aus den Waschhaus-Offizze-Tanzkursen Anja Koziks hervor gegangen und vereint sechs ihrer jungen Potsdamer Breakdancer mit drei professionellen neuen Tänzern. Nicht nur die Gruppe, sondern auch das erste Stück ist mit Oxymoron überschrieben, was so viel wie gegensätzlich bedeutet. „Dazu inspiriert wurden wir von einem Kinski-Gedicht, in dem es u.a. heißt: ,Ich liebe meine Sonne und ich hasse sie, weil ich begreife, dass ich ihr nicht entkommen kann.“ Diese Zeilen beschreiben sehr gut die inneren Kämpfe, denen sich Jugendliche ausgesetzt fühlen, beim Ringen um sich selbst“, sagt die Regisseurin Anja Kozik. Sie ließ zu dem Text frei in Gruppen arbeiten, führte diese zusammen, wählte aus und ließ Neues entstehen. In diesem gemeinsamen Prozess erwuchs eine Choreografie, die nichts vorgab und in der sich die Tänzer selbst wiederfanden. „Das Gegensätzliche spiegelt sich auch in den Tanzformen wider, die von Flamenco, Modern Dance, Klassik bis zu Breakdance reichen. Wir nutzten die kraftvolle Energie der Breakdancer, wollten sie aber nicht allein als fetzig und als Show stehen lassen. Wir haben sie in ein Thema eingebunden, den Versen des Gedichtes folgend.“
Die Premiere feierten sie zum „Tanzfrühling“ in Dresden: ein vertrautes Terrain, schließlich waren die Potsdamer in anderer Formation schon drei Mal dort zu Gast. „Diesmal wurden wir ,blind“ eingekauft.“ Oxymoron konnte vor der Kritik bestehen und auch die Aufführung bei den Potsdamer Tanztagen kam gut an: „Wir waren die bestverkaufte Veranstaltung.“ Groß war die Begeisterung, als danach eine Einladung zum Fringe- Festival nach Dublin folgte. „Unser erster Auslands-Auftritt!“ Doch die Freude war von kurzer Dauer. Ein Sponsor, den man – vermittelt durch eine Agentur – fest im Boot glaubte, erwies sich als Luftnummer. Also putzte Anja Kozik für die Reisekosten auf allerletzten Drücker diverse Klinken. Inhaber kleinerer Potsdamer Läden zeigten sich wohlgesonnen und so ging es schließlich doch noch ab nach Irland. „Dort ging es ähnlich chaotisch weiter. Unser Aufführungsort war ein ganz kleines Theater, wo wir den Zuschauern fast auf den Schoß sprangen. Ich hätte nur weinen können.“ Natürlich war sie erst einmal auf Wolfgang Hoffmann sauer, der zur Potsdamer fabrik gehörte und jetzt Künstlerischer Leiter des Festivals ist. „Er hat unser Programm wohl nicht ganz richtig eingeschätzt. Zum Glück gab es danach zwei Shows in einem großen Zelt, wo wir Auszüge aus unserem Stück zeigen konnten, die nur so rockten. Das war toll. Die sechs angesetzten Abende im kleinen Theater wurden dann auch von Mal zu Mal besser. Aber mit Null-Festival-Erfahrung war unser Auftakt eben einfach ein Fiasko. Mit dieser Enttäuschung muss man leben. Dublin war eine harte Schule, hat uns aber als Gruppe zusammengeschweißt.“
Auch zuvor wurde Anja Kozik schon einiges Fingerspitzengefühl abverlangt: vor allem in der Zusammenarbeit mit dem Videokünstler Oscar Loeser von der HFF. „Er hatte den Wunsch, völlig unabhängig zu arbeiten. Normalerweise denke ich die Dinge rund, jetzt musste ich mich auf einen neuen Prozess einlassen. Nicht alles funktionierte, und so waren nach der Premiere noch Veränderungen nötig. Aber das ist normal, wenn man unterschiedliche Ansätze hat. Es gab auch Stellen, wo wir sehr gut zusammen kamen,“ so die Regisseurin, die natürlich am Ende alle Fäden verknüpfen muss.
So wie auch die verschiedenen Kurse vom Waschhaus-Offizze. Und so wird „Der wilde November“ in einer Matinee auch noch eine andere stürmische Seite offenbaren. Dort werden sich rund 40 Tänzer aus 14 Kursen ins Zeug legen. „Es ist der erste Schritt zu einer neuen Gemeinschaftsinszenierung, wie wir sie schon einmal mit ,under water love“ kursübergreifend gestemmt haben. Diesmal gibt es kein vorgegebenes Thema. Jede Gruppe entwickelt aus sich heraus eine Geschichte, so wie es sich viele Kids wünschten.“ Wer dann die Choreografie aus diesen „Splittern“ formt, ist noch offen. Bei der Matinee gibt es erst einmal kleine Kostproben, wie das Stück von Paula E. Paul von der „verrückten Stadt“, in der Geschichten aus dem Blickwinkel der Kinder erzählt, erfunden, geträumt getanzt werden. Und auch dabei kann es durchaus wild zugehen. Heidi Jäger
Oxymoron: 17. und 20. 11., 20 Uhr, 18.11., 11 Uhr; Matinee: 17.11, 11 Uhr, 20. 11. 16 Uhr. in der Russenhalle.
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