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Kultur: Durchbrochenes Spiel

Unidram II: Figurentheater des australischen Black Hole Theatre

Stand:

Unidram II: Figurentheater des australischen Black Hole Theatre Der lange Tisch im Vordergrund war die Puppenbühne, auf der die kleinen, realistisch angezogenen Gliederpuppen von ein oder zwei Spielern an kurzen Stäben geführt wurden. Das Schattenspiel auf den kantig geschnitzten Holzköpfen der Puppen täuschte ein Mienenspiel vor. Rechts oben hinter dem Tisch eine Leinwand. Links eine Projektionsfläche, die von hinten beleuchtet werden konnte und für verschiedenste Schattenspiele verwendet wurde. Das bunte volle Figurentheater kam aus Melbourne/Australien: „Caravan“ (Regie: Nancy Black) vom Black Hole Theatre. Mal war an allen drei Orten gleichzeitig etwas zu sehen, meistens auf zweien. So erschien auf der Videoleinwand das innere Erleben der Figuren in Bildern. Ihre Drogentrips, ihre Wunschträume. An der von hinten beleuchteten Fläche floss das Blut herunter, dass vorne auf der Bühne von den Puppen vergossen worden war. Und der restliche Raum wurde von den schauspielernden Puppenspielern genutzt (Kalki Henenberg, Sarah Kriegler, Rod Primrose, Jacob Williams). Sie führten das Spiel der Puppen untereinander weiter oder verhielten sich zu dem, was den Puppen widerfuhr. Auch gab es ein Spiel zwischen Puppe und Mensch. Sehr reich also die darstellerischen Mittel, ein ständiges Aufbrechen und Wechseln der Spielebenen. Weniger vielschichtig war die Geschichte, die erzählt wurde. Eine Gruppe von Schaustellern kommt in die Stadt. Der Artist Leo und der Clown werben um dieselbe Frau: Cherry, die Stripperin. Da wird Leo Zeuge des Mordes, den der Clown an einen Drogendealer begeht, den er erschießt, statt ihn zu bezahlen. Leo alarmiert die Polizei. Doch der Polizist steckt mit dem Clown unter einer Decke und dem unliebsamen Zeugen wird der Unterarm abgehackt. Zu ruhiger, leiser Jazzmusik robbt die verstümmelte Figur davon, ein ergreifender Moment. Sieben Jahre später: Die Schausteller kommen erneut in die Stadt. Der Einarmige Leo meidet Cherry, der Clown lauert ihr in der Garderobe auf und raubt einen Kuss, sie stößt ihn weg. Nach der Show, in der Cherry als zweigeschlechtlicher Teufel ihre obszönen Spiele treibt, schlägt der Clown die Stripperin auf der Straße zusammen und lässt sie liegen. Es ist der Einarmige, der sich der geschundenen Frau nähert. Und diesmal trifft ihn kein Fußtritt wie beim letzten Mal, sondern sie lässt sich streicheln. Aber dann prügelt der Medizinmann den wehrlosen Leo weg und verschwindet mit Cherry im Wohnwagen. Zum Schluss sind alle Rivalen tot: Cherry erschießt den nackten Medizinmann, überfährt Leo und zerhackt im Drogendelirium den Clown. Viel Sex, viel Gewalt, nur wenige anrührende Momente. Oft war auf Video genau dasselbe zu sehen, wie auf der Bühne. Die Augen wurde so ohne wirklichen Grund von der Puppenszene weg zur Leinwand gezogen. Teilweise spielten die Spieler mit ihren Puppen mit, was zu einem Ungleichgewicht führte. Auf den Gesichtern der Spieler waren Gefühle zu lesen, aber die Puppen drückten nichts aus. Schade. Denn das einzigartige Potenzial des Puppenspiels ist es doch gerade, dass die Figuren zu leben beginnen und dass das Spiel von dem meist unvollkommenen Spiel eines lebenden Menschen, dem sein Spielen anzusehen ist, befreit wird. Trotzdem stürmischer Beifall im vollen Saal des T-Werkes. Als Überraschung zu später Stunde noch eine Klang- und Stimmperformance des „Derevo“-Schauspielers Oleg Zhukovski. Geduldig lauschte das Publikum dem mit Klangeffekten verfremdeten Gesang, dem elektronisch verstärkten Trommeln und Trampeln, Gitarrenklimpern und Glockenklingen. Doch bald wurde deutlich, wie beliebig und spannungslos die Show war. Die ersten verließen den Saal, die Russischsprechenden amüsierten sich über die improvisierten Reden des Schauspielers, die anderen schliefen fast ein und waren froh, als Oleg Zhukovski schließlich doch noch ein Ende fand. Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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