
© Gabsch
POTSDAMER KULTURHIGHLIGHT: Durchlässig
Am Samstag verwandelt sich die Potsdamer Schiffbauergasse zum dritten Mal in die „Stadt für eine Nacht“.
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Sie kann es. Und wie. Einmal im Jahr macht die Schiffbauergasse ihrem Namen als Kulturstandort alle Ehre. 24 Stunden gibt es Angebote non stop und Menschenmassen, die den Häusern geradezu die Türen einrennen. Und selbst wenn die Besucher wegen Überfüllung keinen Platz in einer bestimmten Veranstaltung finden, geht es ganz entspannt zu. Sie verteilen sich auf alle Orte und endlich auch auf die dazwischen liegenden Freiflächen. Denn diese „Stadt für eine Nacht“ reißt Wände ein. Die sonst eher abgeschotteten Quartiere werden plötzlich durchlässig und selbst der etwas abseits gelegene Schirrhof mit T-Werk, Kunstraum und Museum „fluxus+“ wird integriert. Am kommenden Samstag ab 14 Uhr geht es in die nunmehr dritte Auflage und viele Helfer sind derzeit dabei, aus transparenten „Raumkörpern“ diese futuristisch anmutende Stadt zurecht zu zimmern. 64 Veranstaltungen sind geplant, ein idyllisches Markttreiben und mediterranes Flair bei Theater, Tanz, Akrobatik, Puppenspiel, Bildende Kunst, Film oder Musik.
„Ein kostbares Projekt aus Improvisation und Selbstgemachtem, von Kunst, Wissenschaft und Kreativem, das sich als massenkompatibel erweist“, hatte Spiritus Rector Tobias Wellemeyer nach der letzten „Stadt für eine Nacht“ zufrieden konstatiert, nachdem 22 000 Gäste förmlich über das Gelände geflossen waren. Drei Jahre ist es her, dass der Intendant des Hans Otto Theaters nach einer Möglichkeit gesucht hatte, das kreative Potenzial des Kulturstandortes nach außen zu tragen. Sie hat gezündet, diese Idee des Miteinanders, die alle Erwartungen übertraf. Und auch Leute in die Schiffbauergasse lockte, die das Gelände bislang nur vom Namen kannten. Mit so einem Ansturm hatte niemand gerechnet. Was als totsaniert gescholten wurde, bekam plötzlich unerwartete Lebendigkeit.
Als einer von „365 Orten im Land der Ideen“ wurde diese so phantasievoll ausgestaltete Erlebniswelt, die 24 Stunden lang pulsiert, kürzlich ausgezeichnet. Ein Blick in das dicke Programmheft zeigt, dass die Ideen noch lange nicht ausgegangen sind. Die Anrainer stellen ihre publikumswirksamsten Produktionen auf luftige Bühnen, Gäste reisen mit ausgefallenen Veranstaltungen an. Dieser Standort hat es durchaus in sich, wenn man ihn zu bespielen versteht. Und wenn man auch Geld in die Hand nimmt. Rund 80 000 Euro steckt die Stadt in diesen Kulturmarathon.
Doch noch ist die Schiffbauergasse meilenweit davon entfernt, auch das übrige Jahr zu vibrieren. Natürlich findet innerhalb der Häuser ein durchaus spannendes Programm statt. Doch wer eine Veranstaltung verlassen hat, den zieht es nicht unbedingt in die nächste. Es fehlt eben diese Durchlässigkeit. Zwischen Theater und Waschhaus thront das Parkhaus-Ungetüm. In der „fabrik“ tanzt man abgeschlagen am Ufer. Der Schirrhof ist ohnehin plattsaniert und zum Parkplatz degradiert. Von Aufenthaltsqualität keine Spur mehr, nachdem auch die temporäre Containerbespielung mit Kunst und Kneipe mangels finanzieller Unterstützung wieder ausgesetzt ist. Nur in dieser „Langen Nacht“ wird der Container nochmal einladen und daran erinnern, dass auch kleine Ideen große Wirkung haben können, wenn sie gepflegt werden.
Wellemeyer hat einen Impuls gegeben, der kräftig genug war, eine Vision zu nähren: von einer quirligen, liebenswerten Erlebniswelt, an der alle zusammenbauen. Doch wenn Sonntagabend die Raumkörper wieder weggeräumt sind, gewinnt Tristess die Oberhand. Der Kulturstandort fällt dann ins Sommerloch.
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