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Klangschönheit in der Erlöserkirche. Der Neue Kammerchor Potsdam wusste sich von der wunderbaren Zuverlässigkeit des Neuen Kammerorchesters getragen.

© Manfred Thomas

Kultur: Düster-elegische Stimmung

Eröffnung des Festivals „Vocalise“ in der Erlöserkirche mit Cherubini und Verdi

Stand:

Als Monat des Totengedenkens hat sich der November tief eingeprägt. In Kirchen und Konzertsälen wird von der Endzeit und den letzten Dingen menschlicher Existenz gesprochen und musiziert, doch auch davon, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird.

Requiem-Vertonungen werden also in diesen Wochen von Allerheiligen über den Volkstrauertag bis zum Totensonntag landauf, landab gern musiziert. Da kann man auf eine Vielzahl von komponierten Totenmessen zurückgreifen. Der Neue Kammerchor sowie das Neue Kammerorchester Potsdam haben die diesjährige „Vocalise“, die bereits zum elften Mal vom Verein Musik an der Erlöserkirche e.V. veranstaltet wird, mit einem Requiem bestritten. Keines der bekannten Vertonungen Mozarts, Brahms‘, Verdis oder Dvoraks erklang, sondern das Requiem c-Moll von Luigi Cherubini. Bei vielen Musikrezipienten scheint die Komposition nicht im Blick zu sein. Nur so kann man sich die nicht ausverkaufte Erlöserkirche erklären.

Doch der Vocalise-Auftakt gestaltete sich zu einem sehr ernsten und feierlichen Konzert. In ihren Grußworten würdigten Superintendent Joachim Zehner und die Beigeordnete Elona Müller-Preinesberger die hohe Qualität dieses Festivals, das von Laienensembles und professionellen Musikern und Sängern gleichermaßen getragen wird und das hohe Engagement des künstlerischen Leiters Ud Joffe.

Totenmessen wurden von den Komponisten zumeist im Auftrag geschrieben oder auch nach einem Trauerfall in der eigenen Familie sowie im Freundeskreis. Luigi Cherubini hat sein Requiem 1816 in staatlichem Auftrag zum Gedächtnis an König Ludwig XVI. komponiert, der infolge der Französischen Revolution durch die Guillotine hingerichtet wurde. Beethoven begrüßte überschwänglich das Werk. Sein Wunsch: Man möge es zu seiner Beerdigung aufführen. Also kann es nur an der hohen musikalischen Qualität dieser Begräbnismusik liegen, für die sich der Revolutionssympathisant so erwärmte. Keinesfalls für den Anlass.

Von einer düster-elegischen Stimmung wurde die Erlöserkirche am späten Sonntagnachmittag durchzogen. Vor allem der vorangestellte „Marche funébre“ (Begräbnismarsch), ebenfalls vom gebürtigen Florentiner Luigi Cherubini komponiert, der ein halbes Jahrhundert lang das musikalische Leben von Paris dominierte, bereitete auf das Folgende vor. Eingeleitet durch das in dieser Zeit selten gebrauchte Tamtam (ostasiatischer Gong) übernahm das Neue Kammerorchester unter der Stabführung von Ud Joffe sogleich den Aspekt des Unheimlichen, des Düsteren in Form von doppelten Seufzermotiven. Dieser Eindruck setzte sich dann in der Requiem-Vertonung Cherubinis fort, das ohne Solo-Stimmen auskommen muss. Eine dunkle Grundstimmung bleibt dem Werk insgesamt erhalten. Dagegen können auch die turbulenten Passagen des Dies irae und die strahlkräftigen Durakkorde des Sanctus nichts ausrichten. Sie erweisen sich als kurze Intermezzi. Der durchgängig majestätische Gestus, die innere Geschlossenheit, die Verschmelzung von Wort und Ton sowie die Ausdrucksdichte machen das Werk besonders hörenswert.

Der homogen singende Neue Kammerchor Potsdam ist hierbei durchweg im Einsatz. Mit präziser Intonation und einem breiten Spektrum von dynamischen Akzenten konnte er die vielfältigen Anforderungen hervorragend bewältigen. Die 24 Sängerinnen und Sänger wussten sich von der wunderbaren Zuverlässigkeit und Klangschönheit des Neuen Kammerorchesters getragen. Beide Ensembles verstanden unter der Leitung des inspirierend dirigierenden Ud Joffe den Geist des zwischen Klassik und Romantik stehenden Werkes eindrucksvoll nachzuzeichnen.

Nicht nur die beiden Cherubini-Piecen erklangen im Vocalise-Eröffnungskonzert, sondern auch reine Chorwerke von Giuseppe Verdi. Bei diesem Opernkomponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlug die eigentliche Stunde des Chors, denn die a-cappella zu singenden Kompositionen aus dem Zyklus „Quattro pezzi sacri“ – er entstand 1901, im letzten Lebensjahr Verdis – verlangen in puncto Chorklang große Professionalität. Zwei Werke gab das Ensemble zum Besten, das nur von Frauenstimmen ätherisch gesungene „Laudi alla Vergine Maria“ und das intonatorisch heikle „Ave Maria“ – zwei Chorsätze von entrückter Klarheit und innerer Spannung, die sehr ergreifen. Es sind Prüfsteine der Chortechnik. Die durchweg jungen Stimmen des Neuen Kammerchors meisterten unter ihrem Dirigenten Ud Joffe alle Höhen und Tiefen dieser Musik mit Bravour.

Die Eröffnungsveranstaltung, die mit dankbarem und herzlichem Applaus aufgenommen wurde, war vielversprechend für die folgenden sechs Konzerte in der Erlöserkirche, in der Friedenskirche Sanssouci und im Nikolaisaal. So wird ein weiteres Requiem erklingen, das von Gabriel Fauré. Es wurde 1888 ebenfalls in Paris uraufgeführt. Ein Werk intimen Zuschnitts.

Weitere Konzerte der Vocalise: Lieder für die Ewigkeit am Donnerstag, dem 17. November, 19.30 Uhr, in der Erlöserkirche; Requiem von Gabriel Fauré am Samstag, dem 19. November, 19.30 Uhr, in der Friedenskirche Sanssouci

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