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Kultur: Edel entrückt und stark stilisiert Originalgesänge der Carmina Burana

Bis heute ist von der mittelalterlichen Musik wenig bekannt. Auch kommen einem beim Quäken der Schalmeien, dem Leiern der tragbaren Drehorgel, vornehm Portativ genannt, und beim dünnen Zirpen der Fideln eher volkstümliche Spektakel ins Ohr, vielleicht noch das Weberfest in Babelsberg.

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Bis heute ist von der mittelalterlichen Musik wenig bekannt. Auch kommen einem beim Quäken der Schalmeien, dem Leiern der tragbaren Drehorgel, vornehm Portativ genannt, und beim dünnen Zirpen der Fideln eher volkstümliche Spektakel ins Ohr, vielleicht noch das Weberfest in Babelsberg. Auch in Musik gilt – ebenso wie in der Malerei – erst die Renaissance als eigentliche Geburtsepoche substanzieller, humanistischer Kunst.

Doch die Aufführung von Gesängen aus der Original-Handschrift der Carmina Burana im T-Werk durch das Berliner Ensemble Alta Musica rief so großes Interesse hervor, dass nicht einmal alle Kartenwünsche befriedigt werden konnten. Das dritte Konzert der Vocalise 2005 fand begeisterte Zustimmung beim Publikum.

Bekannt wurden die Carmina Burana (lat. Beurische Lieder oder Lieder aus Benediktbeuren) erst in der Version von Carl Orff, der allerdings die Texte vollständig neu vertont hatte. Die Originalmelodien waren, wenn überhaupt, nur in Form von linien- und taktlosen so genannten Neumen vorhanden, da zur Entstehungszeit unsere Notenschrift noch nicht existierte. Inzwischen wurde einige Komponisten der Carmina Burana identifiziert und ihre Melodien rekonstruiert, wie Walter von Chatillon und Philippe le Chancelier, deren Lieder vom Ensemble Alta Musica vorgetragen wurden. Dazu kamen noch eine Reihe von anonymen Vokal- und Instrumentalsätzen.

Im T-Werk wird diese doch recht einförmige Musik als hohe Kunst zelebriert. Dazu ist die rechteckige Bühne ringsherum vom Boden bis zur Decke mit durchsichtigen Stoffbahnen abgehängt. Im Innern steht ein Tisch mit einem riesigen Buch, das erwartungsgemäß zu Beginn geöffnet und anschließend wieder geschlossen wird. Anders hätte man womöglich das Ende beim Gleichklang der Stücke gar nicht mitbekommen. Auch bei der Beleuchtung wird gespart (Licht- und Raumregie: Jens-Uwe-Sprengel), nur in den seltenen Momenten, wenn die Akteure einmal aus ihrem Zelt treten und feierlich dasselbe von außen singend umschreiten, bekommt das Publikum etwas mehr als dunkle Schemen zu sehen.

Die zwei guten Sängerinnen und acht Multi-Instrumentalisten geben unter der Leitung von Rainer Böhm ihr Bestes, um die Zuhörer ins Mittelalter zu entführen. Einstimmige Melodien, gelegentlich homophon erweitert, erklingen zum Singsang der Fideln, Schalmeien und Flöten. Gelegentlich wechseln die Instrumente und die Sänger, doch schlichter mittelalterlicher Gleichklang überwiegt. Etwas Bewegung entsteht durch die Choreographie, ebenfalls in einem statischen Gleichmaß. Dazu schreiten die Akteure hinter dem Schleier mit abgemessenen Bewegungen durch ihr würfelförmiges Zelt. Was Carl Orff einst zu Tonbildern von wild entfesseltem Lebensgenuss inspiriert hatte, erscheint in der Interpretation des Ensemble Alta Musica in edel entrückten, stark stilisierten Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Babette Kaiserkern

Wieder im T-Werk am 13. und 14. Januar 2006, um 20 Uhr.

Babette Kaiserkern

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