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Ehekrieg. Wenn der Mann fremd geht und die Gattin nur den mütterlichen Schoß bietet. Isabelle Liere spielt in der Tragikomödie „Offene Zweierbeziehung“ die hintergangene Ehefrau Antonia, die am Ende kräftig aufbegehrt und zu ihrer Kraft findet.

© Andreas Klaer

Kultur: Eheschlacht

Die Tragikomödie „Offene Zweierbeziehung“ hat am Freitag im Theaterschiff Premiere

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Der Ehering blinkt noch geradezu jungfräulich an ihrer linken Hand. Erst vor einem halben Jahr hat Isabelle Liere ihrem tunesischen Mann das Ja-Wort gegeben. Kennengelernt hat sie ihn in einem Ferienresort, wo sie für ein Jahr die Urlaubsanimation theaterkräftig in Szene setzen wollte. Ihr Unterfangen war zwar wenig von Erfolg gekrönt, doch dafür fand sie die große Liebe.

Eine „Offene Zweierbeziehung“, wie sie sie ab kommenden Freitag auf dem Theaterschiff spielt, käme für die 25-Jährige keinesfalls in Frage. Diese Abhängigkeit, die ihre Figur Antonia in dem Zweipersonenstück von Dario Fo und Franca Rame durchlebt, fühle sich nicht gesund an. Der Mann an ihrer Theaterseite sucht seine sexuellen Eskapaden ständig bei anderen Frauen, und Antonia darf nur der sichere Hafen sein, von dem er zu immer neuen amourösen Abenteuern ablegt. Sie sei der „mütterliche Schoß“, der ihm Sicherheit gibt, bekennt der lüsterne Schwerenöter freimütig und merkt dabei nicht einmal, welche Verletzung er seiner Ehefrau damit erneut zufügt.

Die in der Regie von Martina König entstehende Tragikömodie setzt weniger auf das Boulevardeske des vielgespielten Stücks als auf die emotionale Auslotung der Figuren. „Dennoch geht es auch total witzig zu“, meint Isabelle Liere. Allerdings gehen die Lacher eindeutig aufs Konto des Mannes, gespielt von Mario Neubert, wenn er zum Beispiel mit einem riesigen Pfefferkuchenherz die dann doch aus ihrem Käfig ausbrechende Gattin zurückholen möchte. Es geht heiß her bei diesem Theaterabend, der vor dem Schiff an Feuerkörben und bei Glühwein seinen Anfang nimmt. Die beiden Schauspieler mischen sich dabei anfangs mit unters Volk, bis Mann wieder einmal ein Auge auf eine unbekannte Schöne wirft. Da rastet Antonia nun vollends aus und will ins Wasser springen. Als er sie zurückhält, zückt sie den Revolver. Doch der Schuss geht daneben, und so kann das Spiel unter Deck weitergehen.

Dort stimmt Isabelle Liere dann auf dem Tresen sitzend ihr Lied „My heart will go on“ von Céline Dion an. Ein Lied, das die Schauspielerin an ein Trauma aus ihrer Kindheit erinnert und das während der intensiven Proben wieder nach oben schwappte. Isabelle Liere wollte es als Zehnjährige ihren Eltern vorsingen. Lange hatte sie dafür geprobt, sich ein extra schickes Kleid für diesen Auftritt angezogen. Doch die Eltern winkten nur ab, wollten weiter in Ruhe ihr Frühstück essen. Es sollte viele Jahr dauern, bis Isabelle Liere wieder Mut fasste, zu singen. Bis heute ist da diese Unsicherheit, auch wenn sie von so vielen immer wieder Anerkennung bekommt, seit sie bei der Theaterschiff-Inszenierung „Beatles an Bord“ vor gut zwei Jahren das erste Mal auch als Sängerin vors Publikum trat. Immer schwang da die Erinnerung mit: Dich will keiner hören.

Bis zur Premiere am kommenden Freitag will die junge attraktive Frau noch Atemtechniken lernen, um die Aufregung im Zaum zu halten. Ihr Husten, den sie gerade mit einem riesigen Pillen-Cocktail zu Leibe rückt, macht es nicht unbedingt leichter, die Nervosität zu drosseln. Doch die junge Frau mit dem herzerfrischendem Lachen strahlt auch Zuversicht aus. Gerade nach den intensiven Proben, die sie sehr in ihre Mitte führten, wie sie sagt. Und die letztlich so weit führten, dass sie dieses Lied mit der eigenen schmerzhaften Erinnerung singen wird. „Die Proben waren wirklich befreiend, für uns alle. Jeder hat seine Geschichte mitgebracht und sich im Stück wiedergefunden. Ich habe viel an Kraft mitgenommen, wie noch nie in einer anderen Produktion“, so die schon sehr reif wirkende Darstellerin, die nachdenklich auf die vorbeischnellenden Kajaks vor den Bullaugen des Schiffs schaut.

Isabelle Liere lernte das Schauspielern nicht an einer Hochschule, obwohl sie eine Zusage aus Leipzig schon in der Tasche hatte. „Doch es war eine wilde Zeit“ und die junge Frau lernte lieber im ständigen Ausprobieren auf der Bühne. Schon in der Grundschule in Groß Kreutz entdeckte sie das Theaterspiel für sich, und als sie dann mit 12 Jahren aufs Internat des Evangelischen Gymnasiums Hermanswerder kam, wurde die Bühne für sie zur Lebensmitte. Mit Hans Weber, ihrem Lehrer im Darstellenden Spiel, gründete sie nach dem Abitur in Berlin die freie Theatergruppe „H2B-Theaterbox“ .

Die ehemalige künstlerische Leiterin des Theaterschiffs, Constanze Jungnickel, sah sie dort spielen und holte Isabelle Liere nach Potsdam, erst für die „Beatles“-Produktion, danach noch einmal für den Monolog „Mondscheintarif“. Diese Inszenierung läuft nach der Entzweiung der beiden Frauen jetzt in neuer Besetzung im Waschhaus weiter, doch noch immer wird mit dem Gesicht von Isabelle Liere auf Plakaten geworben. „Ich war geradezu entsetzt, als ich mich plötzlich in Babelsberg an der Litfaßsäule sah, in einer Inszenierung, in der ich gar nicht mehr spiele. Das ist schon dreist“, sagt sie unverhohlen.

Nun hängt Isabelle Liere zwei Mal öffentlich aus. Das Plakat, das sie im roten Kostüm und roten Stiefeln sowie mit gezogener Pistole zeigt, ist indes das allein Richtige. In dem Rot, so wie die gefallenen Rosenblätter auf der Bühne und der Teppich, der das schwarz ausgeschlagene Reich des Ehebunkers mit der weißen Welt der Emanzipation verbindet. Dort wird die durch viele Höllen gegangene Frau am Ende wie im Märchen den Thron besteigen. Antonia wird ihn gehen, diesen Weg der Befreiung, und am Ende das kraftvolle Lied von Tina Turner „Proud Mary“ singen. Stolz, die eigene Stärke gefunden zu haben. Und was wird aus ihm?

Premiere ist am Freitag, dem 18. November um 20 Uhr, im Theaterschiff in der Alten Fahrt. Weitere Aufführungen am 19. und 20. November, jeweils 20 Uhr. Karten unter Tel. (0331)2800100 oder www.theaterschiff-potsdam.de

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