Vier Stunden Oper. Eigentlich kein Thema. Aber Apollo, der Gott der Musen, soll den Veranstaltern gesagt haben: Nehmt aus „Armida“ nur das Wichtigste. Margit Legler erzählte am Freitagabend im Schlosstheater im Neuen Palais als Moderatorin von „Una festa teatrale“ von diesem Ratschlag. Das Ensemble „I Confidenti“ tat dann auch gut daran, Apollos Anregung zu befolgen. Die Oper von Carl Heinrich Graun wurde auf 50 Minuten zusammen geschrumpft. Mit kleinen Szenenausschnitten aus „Euridice“, „Iphigenie in Aulide“ sowie „Le feste galanti“ wurde das Ganze dann wieder 20 Minuten verlängert, zu einem Pasticcio.
Carl Heinrich Graun, Hofkapellmeister und Tenor Friedrichs des Großen, sollte mit diesem theatralischen Fest gewürdigt werden. Der 250. Todestag ist für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg dafür ein guter Anlass. Graun war vor allem als Opernkomponist tätig. Besonderen Ruhm erlangten bis heute seine Musiktheaterwerke „Cesare e Cleopatra“ und „Montezuma“. Die Geschichte um den Aztekenkönig wurde 1984 durch das Hans Otto Theater im Neuen Palais zur Aufführung gebracht, acht Jahre später die Tragedia per musica „Merope“ und „Orpheo“ im Jahr 2002.
Der Geehrte ist diesmal nicht nur als Komponist zugegen, sondern auch auf einer Gemäldekopie, das den Abend über am Orchestergraben lehnt. Für die „Gedenkfeier“ ist eine Begleiterin bestellt, die mit Texten über den Komponisten, die Sängerstars am Hofe Friedrichs II., Giovanna Astrua und Antonio Romani, und den Opernszenen aufwartet. Was Margit Legler vorliest und erzählt ist zwar altmodisch schwülstig, aber irgendwie auch liebenswürdig, weil sie ihre Sache mit viel Charme und hintergründigem Humor angeht. Sie bereichert außerdem mit historischen Tänzen die Handlung als Begleiterin Armidas und Furie. Die bekannte und oftmals vertonte Geschichte von Armida und Rinaldus, dem christlichen Kreuzritter und der syrischen Königin, eine „Heidin“, stehen im Mittelpunkt der Graun-Ehrung. Der Komponist entnahm eine Episode aus Torquato Tassos „La Gerusalemme liberata“. Ein Kaleidoskop gemischter Gefühle entwickelt Graun darin musikalisch. Wahrheit, Lüge, Eifersucht, Mordlust, Verlust, Verrat – nichts ist dabei unmöglich! Die Solisten haben nach den Anweisungen des Regisseurs Nils Niemann keine Möglichkeiten, nach heutigen Erkenntnissen Emotionen szenisch zu gestalten. Er huldigt – wie bereits 2008 mit „La Pastorale a Sanssouci“ – restlos der barocken Tradition. Die an der Affektsprache des 18. Jahrhunderts angelegte Gestik und Mimik der Sänger wirkt allzu oft überartifiziell, unfreiwillig komisch, und letzten Endes in der übergroßen Distanziertheit nur als Mittel zum Zweck. Christine Jaschinsky trägt mit ihrer Ausstattung erwartungsgemäß dazu bei, dass es kaum ästhetische Brüche gibt. Die Bühnenprospekte mit den steif gemalten Gärten und Palästen Griechenlands oder Syriens, die kunstvoll entworfenen und glanzvoll hergestellten Kostüme sowie der Kopfputz entsprechen weitestgehend dem höfischen Ambiente des 18. Jahrhunderts. Museales hat Priorität.
Doch die Sopranistin Doerthe Maria Sandmann vermag in das starre Gefüge eine große emotionale Bewegung zu bringen, die menschliche Anteilnahme herausfordert. Sie gestaltet die Armida vielschichtig und singt mit einer Tiefgründigkeit, die begeistert. Die Sängerin gibt, mit dem Einklang zwischen ihrem runden, schlanken Timbre und der Subtilität ihrer Aussprache, eine eigene, ganz persönliche Interpretation der oftmals komplizierten Gesangsnummern. Blass dagegen Simon Wallfisch. Seinem Tenor fehlen noch Ausdruck und Reife, auch eine reichhaltigere Palette an Farben, um die komplexen, tiefgründigen Rezitative und Arien zu kolorieren.
Sicherlich ist es den fehlenden Finanzen geschuldet, dass nur ein Instrumental-Septett, das Ensemble Sans Souci Berlin, verpflichtet wurde. Die komplexe Opernmusik Grauns verträgt ein größeres Orchester. Das eigentlich üppige Klangbild blieb insgesamt sehr mager, obwohl die Musiker unter der Leitung der Violinistin Irmgard Huntgeburth sich alle Mühe gaben, wenn man von den Intonationsschwierigkeiten zu Beginn des Abends absieht, mit energiegeladenem Selbstvertrauen der Musik Carl Heinrich Grauns mit ihrer Leidenschaft und Poesie gerecht zu werden.
„I Confidenti“ erstarrt seit einigen Jahren in seinem ästhetischen Anspruch. Es sollte zu der hoch motivierenden Lebendigkeit mit der von Ensemble 2001 fünf Jahre auftrat, wieder zurückkehren. Der Leiterin Christine Jaschinsky sind dafür gute Ratgeber in Sachen Oper zu wünschen. Klaus Büstrin
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