Kultur: Ein dicker Knoten für die Liebe
DeGater“87 mit „Zipfelpeter“ im T-Werk
Stand:
DeGater“87 mit „Zipfelpeter“ im T-Werk Man nehme Genuss versprechende, vertraute Zutaten, vermische diese mit einer guten Prise Fantasie und serviere alles mit einfühlsamer Poesie. Bei dieser Rezeptur kann durchaus Neues und Überraschendes herauskommen, wie der „Zipfelpeter“ zeigt, der jetzt im T-Werk Premiere feierte. In dieser Geschichte nach Karl Gröner findet man einige Anleihen aus altbekannten Märchen. Doch „Zipfelpeter“ ist durchaus von eigener Statur, die es mit Freude zu bestaunen gilt. Er ist ein ausgelassener Wicht, dieser Peter, der das Nervenkostüm seiner Mutter so manches Mal auf die Probe stellt. Denn statt die Stube zu fegen, die Ziege zu füttern oder das Feuer zu schüren, flüchtet sich Peter ins ausgelassene Spiel. Die Mutter ist trotz des ärmlichen Daseins keineswegs verhärmt, sie schaut gelassen und liebevoll auf den putzmunteren Sohn. So ist die kleine Stube stets von wohliger Wärme erfüllt: bis die Mutter eines Tages erkrankt. Nun muss sich Zipfelpeter vom Rockzipfel der Mutter lösen und nach Hilfe Ausschau halten. Die hofft er im Wald zu finden. Doch dort ist der Boden gefroren, kein Kräulein zu pflücken. Stattdessen pirscht sich das Moormännchen an den ratlosen Jungen heran, erzählt ihm von der Wunderkraft der blauen Blume. Jetzt heißt es für den Jungen, allen Mut zusammen nehmen und sich in die nächtlichen Abenteuer zu stürzen. Da gilt es die Irrlichterkönigin mit Kraft der Sonnenstrahlen zu besiegen und den verheißungsvollen Armen der Moormädchen zu entkommen. Kraft seiner Liebe geht Zipfelpeter natürlich als Sieger hervor und kann am Ende nicht nur die Mutter heilen, sondern in Windeseile auch das Herz der Binsenfee erwärmen. So schnell wird man erwachsen. Wenn die Liebesgeschichte auch etwas übereilt daher kommt, fließt die Geschichte insgesamt doch sehr stimmig. DeGater“87 schuf in seiner zweiten Kindertheater-Produktion eine bildträchtige, aber ebenso aufs Wort vertrauende Inszenierung. Vor allem Franka Schwuchow als Mutter und Erzählerin weiß sehr akzentuiert den richtigen Märchen-Ton zu treffen. Thomas Falk als Zipfelpeter findet seine Stärke vor allem im quirligen Spiel, weiß aber auch Spannung zu schüren. Udo Koloska übernimmt nicht nur den musikalischen Part, der mit seinem Schlag- und Blaswerk die Handlung untermalt, voran treibt oder mit ihr in den Dialog tritt. Er ist zudem wichtiger Mitspieler, muss aber noch mehr auf eine deutliche Aussprache hinarbeiten. Vor allem bezaubert das kurzweilige Treiben (Regie: Jens-Uwe Sprengel) dank seines Schattenspiels. Was sich hinter dem weißen Vorhang konturenstark abzeichnet, setzt auch in die eigenen Gedanken Pflöcke ein: Verführerisch und zugleich bedrohlich flackern die Lichter wie bei einem ekstatischen Tanz, dann raschelt und schurrt es angsteinflößend, wenn die Moormädchen ihre Fangarme schwingen. Raffiniert bauen sich die an langen Stangen befestigten weich fließenden Zellophan-„Tücher“ zu immer neuen Bildern auf, verströmen einen magischen Zauber (Schattenspiel: Wolf Hinze, Ausstattung: Heide Schollähn). Doch die Inszenierung verweilt nicht lange in ihren Stimmungen, schürt keine Bange machenden Emotionen. Flott wechselt sie zwischen Erzählung, Musik und Spiel. Nach einer Dreiviertelstunde hat Peter alle Schlachten geschlagen, die Kutsche zum Königsschloss bestiegen. An was wird ihn wohl künftig der Knoten in dem Zipfel seines Taschentuches erinnern? Vielleicht an die unbeschwerten Tage seiner Kindheit. Heidi Jäger Nächste Vorstellungen: 27. und 28. September, jeweils 10 Uhr, zu den Kinderkultur-Tagen im T-Werk. Ab fünf Jahren. Karten unter Tel 0331-719139.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: