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Kultur: Ein Fest Und dem König ganz nah

Im Neuen Palais wurde mit „Friederisiko“ die zentrale Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag von Friedrich II. eröffnet

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Friedrich und Voltaire, zwei, die es immer ganz besonders liebevoll im Miteinander meinten. „Die Barberina tanzte zu dieser Zeit in seinem Theater; sie hatte inzwischen den Sohn des Kanzlers geheiratet“, schrieb der französische Philosoph über die Tänzerin Barbara Campanini, genannt Barberina, in seinen Memoiren. „Der König hatte die Tänzerin aus Venedig entführen lassen von seinen Soldaten, die sie über Wien nach Berlin brachten. Er war ein wenig in sie verliebt, weil sie Beine hatte wie ein Mann“, so Voltaire weiter.

Dann steht man im Obergeschoss des Neuen Palais, nur wenige Räume vom Schlosstheater entfernt und betrachtet diesen feinen Damenschuh. „Seidendamast lachsrosa, Glacéleder weiß, Ledersohle geschliffen, Fußlänge 20 cm.“ Und dieses zarte Gebilde soll nun einst die Mannsbeine der Barberina geziert haben?

Ein Schuh, ein Zitat, und wenn man will, öffnet sich eine ganze Welt.

Die Welt Friedrich II., König von Preußen, öffnet sich in diesem, seinem Jubiläumsjahr auf vielfältigste Weise mit der großen Ausstellung „Friederisiko“, die am gestrigen Donnerstag mit einer Pressekonferenz und einer Feier für staatstragende Gäste offiziell eröffnet wurde. Am morgigen Samstag öffnet sie sich dann sechs Monate lang für den allgemeinen Besucherstrom.

Es ist die zentrale Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag des Königs, die größte und aufwendigste in der Geschichte der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Ein opulentes Fest auf 6000 Quadratmetern, verteilt auf 72, zum Teil erstmals zugänglichen Räumen, wie dem Musikzimmer, dem Tressenzimmer und dem Ovalen Kabinett des Unteren Fürstenquartiers im Neuen Palais, Friedrichs „Fanfaronade“. Diese Ausstellung soll nicht nur Friedrich II. näherbringen, sie soll auch das Neue Palais, diese spätbarocke Machtdemonstration, die nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges von 1763 bis 1769 errichtet wurde, aus dem Schatten von Sanssouci, Friedrichs geliebtem Sommerschloss holen.

Aus zwölf unterschiedlichen Blickwinkeln kann sich der Besucher dem König und seinem Schloss nähern. Das große politische Geschäft findet sich in „Europa und die Welt“, „Entwicklungspolitik“, „Risiko und Ruhm“ und „Im Wettstreit“; das Alltägliche, das Persönliche in „Tagesgeschäft“, „Körper und Seele“ und „Verhältnisse“.

Mit äußerster Zurückhaltung und oft auch äußerst dezent sind die knapp 500 zusätzlichen Ausstellungsstücke, darunter die Mamorbüste der Marquise de Pompadour von Jean-Baptiste Pigalle, in den Räumen arrangiert. Dann zwar auch dezent, gleichzeitig aber auch effekt- und geschmackvoll die Präsentation von Pigalles Skulptur des „Nackten Voltaire“ in der Wohnung des Marquis d’Argens oder die Lykomedesgruppe. So sind auf den 6000 Quadratmetern Ausstellungsfläche knapp 1500 Exponate zu sehen, 1000 davon gehören zur Ausstattung des Palais. Und immer ist es das bewusste Zusammenspiel von Ausstellung und der Architektur der Räume im Neuen Palais, die hier deutlich wird. Dazu in jedem Zimmer ein Zitat, entweder vom König selbst oder von seinen Zeitgenossen.

Friedrich II. erleben, nicht als König und Gott wie auf einem Sockel betracht, sondern als König und Mensch, so formulierte Jürgen Luh, einer der Kuratoren von „Friederisiko“, die Intention der Ausstellung. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben die Ausstellungsmacher viel Augenmerk auf die Details gelegt. So finden sich beispielsweise in den unterschiedlichsten Ausstellungsräumen immer wieder die kleinen, verspielten und kitischig überladenen Tabakdosen, nach denen Friedrich fast schon närrisch war. Und wenn man den Rundgang durch das Neue Palais so gestaltet, dass man erst am Ende die Privaträume des Königs betritt, dann entstehen tatsächlich Momente, in denen man Friedrich näherkommt.

Da liegen in dem abgedunkelten Privatzimmer die Traversflöten des Königs, daneben die Noten eines Flötenkonzerts aus seiner Feder, so als hätten die Amtsgeschäfte Friedrich vor ein paar Minuten nur zu einer Unterbrechung gezwungen.

So geht es von Raum zu Raum, vorbei an des Königs bescheidenem Nachtlager hin zu einem Tisch, auf dem neben den geliebten Kirschen eine von Friedrich überarbeitete Menüfolge für das Abendessen liegt, bis eine kleiner Steg in das Lesekabinett führt. So nah ist man hier dem König, ohne dass sich die kritische Distanz verliert. Und wieder merkt man, wie so oft schon an diesem Tag im Neuen Palais, dass es manchmal nicht viel braucht, damit sich eine ganze Welt öffnet.

Dirk Becker

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