Kultur: Ein filmender Politiker?
Ehrung für Konrad Wolf mit Filmretrospektive und Symposium
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Ehrung für Konrad Wolf mit Filmretrospektive und Symposium Die Feierlichkeiten zum Einheitstag scheinen ein würdiger Anlass, dem Lebenswerk des DEFA-Regisseurs Konrad Wolf ein internationales Symposium mitsamt einer nahezu kompletten Werkschau zu widmen. Ab Freitag werden alle 15 Filme des 1982 Verstorbenen im Filmmuseum zu sehen sein, wo auch eine Foyerausstellung wichtige Dokumente aus Wolfs Nachlass zugänglich macht. Dienstag beginnt dann ein international besetztes Symposium in der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), die seit 1985 den Namen „Konrad Wolf“ trägt. Schon die nach der Wende einsetzende kritische Diskussion über diese Benennung zeigt, dass der objektiven Betrachtung des Werkes von Wolf vielfach ideologische Barrieren entgegen standen. Das Symposium „Konrad Wolf - Deutschland und Europa“ verspricht mit Beiträgen u.a. aus den USA, Großbritannien und Österreich, den Blick freier zu machen. Eine differenzierte Betrachtung scheint überfällig Zum 80. Geburtstag wird sie vom Filmmuseum, der HFF, mit der Unterstützung des Kulturministeriums, der DEFA-Stiftung und dem Deutschen Filmarchiv endlich möglich. War Wolf ein „filmender Politiker“, wie eine Hypothese in der kommenden Woche lauten wird? Sieht man Wolf, den bekennenden Kommunisten und Antifaschisten und langjährigen Präsidenten der Akademie der Künste in seinem letzten Fernsehauftritt im Jahr 1980 in der Anrufsendung „Porträt per Telefon“ zurückhaltend und konzentriert die Fragen beantworten, ahnt man: eher nein. Vor der Kamera, „auf dem Tablett“, wie er sagt, fühlt er sich unwohl. Wolfs Lebensweg ist geprägt vom Familienschicksal seiner jüdischen, nach Russland emigrierten Familie. Die Kriegsbilder, die sich ihm als jungem russischen Soldaten einprägen, werden ihn nicht mehr loslassen. Die Frage, wie man diese Erfahrungen durch das Medium Film weitergeben kann, werden für seine spätere Arbeit zentral. Konrad Wolf ist mit dieser Fragestellung auch einer der markantesten Filmemacher in der Zeit der deutschen Teilung. Sein autobiografischer Film „Ich war neunzehn“ aus dem Jahre 1968, zu sehen am Eröffnungstag der Retrospektive und Ausstellung, wurde folgerichtig von führenden Filmkritikern zu einem der 100 besten deutschen Filmen gewählt. Über zwanzig Jahre nach dem Tod von Konrad Wolf, so hoffen die Organisatoren Elke Schieber vom Filmmuseum und Michael Wedel von der HFF, ist genug Distanz geschaffen, um ohne ideologische Vorurteile die sensible Filmsprache und Vielschichtigkeit der Bilder seiner Werke zu würdigen. „Man muss diese Filme lesen können“, sagt Schieber, und zitiert Konrad Wolf, der zugab, er würde sich freuen, wenn die Zuschauer wenigstens eine Bedeutungsschicht für sich entdeckt hätten. „Die Veranstaltungswoche „Konrad Wolf - Deutschland und Europa“ möchte neben der aktuellen Bedeutung der Filme auch den Filmtheoretiker zeigenEingebunden in das Programm ist die Begegnung mit Freunden und Weggefährten, u.a. wird Wolfgang Kohlhaase, Wolfs wichtigster Drehbuchautor erwartet, wie auch sein russischer Freund Wladimir Gall, dessen Leben Eingang in „Ich war neunzehn“ fand. Zudem wird am Freitag Wolfs Sohn Oleg kommen. „Konrad Wolf hat Rätsel aufgegeben und wird auch weiterhin Rätsel aufgeben“, sagte ein weiterer Weggefährte, der bulgarische Autor Angel Wagenstein, der das Drehbuch zu „Sterne“ lieferte. Das Filmmuseum und die HFF tun gut dran, einige Rätsel kritisch und differenziert aufzulösen. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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