Von Klaus Büstrin: Ein forscher „Pausenfüller“
Opernrarität „Monsieur di Porsugnacco“ von Ignatio Fiorillo hatte im Schlosstheater Premiere
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Der diesjährige Barocke Opernsommer im Schlosstheater im Neuen Palais ist eingeläutet. Am vergangenen Freitag haben die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg gemeinsam mit der freien Potsdamer Operntruppe I Confidenti „Monsieur di Porsugnacco“ von Ignatio Fiorillo zur Premiere gebracht. Die Ausgrabung dieser kleinen Opernrarität, die als Intermezzo geschrieben wurde, lohnte sich, musikalisch und szenisch. Der gebürtige Neapolitaner Fiorillo war zunächst Hofkapellmeister am Hof des Braunschweiger Herzogs Carl I., ein Schwager des preußischen Königs Friedrich II., später war er in Kassel angestellt.
Fiorillo war ein fleißiger Komponist. Mehr als 60 Bühnenwerke stammen aus seiner Feder. Freilich sind darunter auch Intermezzi, die man als Pausenfüller an großen und langen Opernabenden benötigte. Bei schönem Sommerwetter baute man beispielsweise eine kleine Bühne in der Parkanlage auf, um die Vergnügungen mit einer Lustbarkeit zu ergänzen. In Potsdams Schlosstheater hat Ausstatterin Christine Jaschinsky auch einen barocken Garten mit Tempel für das Intermezzo Fiorillos parat, gemalt auf großen Stoffbahnen. Davor positionierte man ein kleines Podest, auf dem die Geschichte des Monsieur di Porsugnacco gezeigt wird, eine Geschichte, die der französische Komödiendichter Moliére erfand. Sein Kompositionskollege Jean Baptiste Lully hat sie vor mehr als 300 Jahren in die damals beliebte Form einer Ballett-Komödie gesteckt. Ignatio Fiorillo schrieb das abendfüllende dreiaktige Stück in ein kurzweiliges Intermezzo um, in dem die listige Magd Grilletta den etwas hinterwäldlerischen, doch reichen Monsieur umgarnt und ihn um seines Geldes willen schließlich heiratet. Die Geschichte um einen reichen Mann, der von einer jungen Frau betört wird und am Ende hereingelegt wird, war besonders im 17.und 18. Jahrhundert ein besonders gern gespieltes Sujet für die Bühne.
Seit Jahren sind Musiker, Sänger und Dirigenten allenthalben um eine historische Aufführungspraxis bemüht und haben im Laufe der Zeit einen erstaunlichen Wissens- und Praxisstand erarbeitet. In der Regie hat man sich aber dieser Entwicklung beharrlich widersetzt. Nun beginnt es sich zu ändern. Auch das Potsdamer Ensemble I Confidenti bemüht sich um eine ganzheitliche Aufführungspraxis von Musik und Szene. Die Ergebnisse, wie man sie in den vergangenen Jahren im Schlosstheater erlebte, waren ungewöhnlich, aber auch gewöhnungsbedürftig. Zu Friedrichs des Großen Zeiten traten in der Regel in solch kleinen Theaterräumen wie im Neuen Palais nur eine Sängerin und ein Sänger auf, stellten sich in die Mitte und sangen. Mit den Armen gestikulierten sie in stereotypen Bewegungen, auch wandten er oder sie ihren Kopf in Richtung des Mitspielers. Interaktive Bewegungen waren selten. Auffälliger als das Spiel waren erwartungsgemäß Kostüme und Masken, beides überaus farbenfroh und kostbar, monströser Federschmuck garnierte die Darsteller.
Von all dem kann man auch in der aktuellen I-Confidenti-Inszenierung im Neuen Palais erleben. Christine Jaschinsky und die Schneiderin Kristina Weiß waren für die aufwändig gefertigten Kostüme verantwortlich, die ein getreues historisches Abbild der Kleiderordnung des 18. Jahrhunderts geben.
Vor allem in den vergangenen zwei Jahren präsentierte I Confidenti musiktheatralische Aufführungen, die sich ganz eng an das Muster der Bewegungs-„Maschinerie“ der Barock- und Rokokozeit hielt. Dies ist zwar historisch interessant, lässt aber emotionales Gestalten kaum zu – nur über die Musik. Der Schweizer Regisseur David Matthäus Zurbuchen hatte nach mehrjähriger I-Confidenti-Abstinenz wieder die Fäden in die Hand genommen. Elemente der Commedia dell’Arte hat er benutzt, das barocke Bewegungsvokabular nicht vergessen, doch ließ er es nicht ganz gesetzmäßig umsetzen. Die ironischen Brechungen gaben ihm die Möglichkeit, das Ganze in ein menschliches und komödiantisches Licht zu tauchen. Obwohl Grilletta (Doerthe Maria Sandmann) und Monsieur di Porsugnacco (Paul Hörmann) auf dem kleinen Podest zu Stehtheater gezwungen werden, geben sie doch ein köstliches Paar. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau, raffiniert und witzig. Da kann einem der etwas tumbe und kauzige Porsugnacco nur leid tun, der sich in Grilletta verliebt und sie unbedingt zum Traualtar führen will. Aber schließlich bekommt er sie und sie sein Geld.
Gleich drei volkstümliche Pulcinellen, Figuren der Commedia dell’arte, setzt Zurbuchen ein. „Der Pulcinell ist in der Regel eine Art lebendige Zeitung“, schrieb Goethe. Und die Schlosstheater-Pulcinellen (Steffan Drotleff, Nils Niemann, Andreas Schmitz) erzählen dem Publikum die Geschichte von Grilletta und Monsieur di Porsugnacco in komischer Weise, doch ohne Klamauk. Und wenn die Drei sich nichts zu sagen haben oder schlafen, laufen sie unmotiviert durch den Zuschauerraum und über die Bühne, klappen mit den Türen. Und man fragt sich: Was soll’s?
Ignatio Fiorillos Musik, so hat ein kluger Zeitgenosse geschrieben, zeichne sich in guten Momenten mit einer Melodik von dramatischer Ausdruckskraft aus, doch sei er im Allgemeinen oberflächlich. In seinem „Monsieur di Porsugnacco“ hört man jedenfalls spritzigen Witz und Volkstümlichkeit im besten Sinne. Die Besetzung nur mit Streichern und Cembalo bietet ein transparentes Klangbild, was die Geschichte ebenfalls musikalisch mit Humor und Ironie erzählt. Doerthe Maria Sandmann wusste ihrer köstlichen Sopranpartie viele Farben abzugewinnen, so dass ihr Gesang eine regelrechte Erfrischung war. Der junge Paul Hörmann konnte stimmlich über weite Strecken noch nicht überzeugen. Sein Tenor klingt eben noch zu eindimensional.
Wieder holte sich I Confidenti das Ensemble Sans Souci Berlin mit ins musikalische Boot. Die sieben Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Irmgard Huntgeburth gingen am Premierenabend das Intermezzo forsch an und involvierten die Zuhörer in Sachen Tempo, Spritzigkeit und kultiviertem Klang in das Geschehen. Aber gern hätte man gewusst von wem die Zwischenaktmusiken stammen. Auf alle Fälle nicht von Fiorillo. Am Ende dann viel Beifall für ein sehens- und hörenswertes Intermezzo, dem man viele Zuhörer wünscht.
Wieder am 15. Mai, 19 Uhr und am 16. Mai, 16 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais. Karten im Vorverkauf zwischen 10 und 22 Euro, zzgl. Gebühr, an der Abendkasse zwischen 16 und 26 Euro. Weitere Informationen unter www.i-confidenti.de
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