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Von Heidi Jäger: Ein fröhlicher Vamp

Kostümbildnerin Grit Walther ist im Phantasiereich von „Momo“ unterwegs / Premiere ist im März

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Ihre Momo ist farbenfreudiger als bei Michael Ende. Statt einer alten, viel zu weiten Männerjacke, in die der Autor sie steckte, trägt sie bei Grit Walther fröhlich bunte Gewänder, wie eine frische Frühlingswiese. Die Kostümbilderin hatte es nicht leicht, die Entwürfe bei ihren beiden Kindern durchzukriegen. Die wussten aus Buch und Film ganz genau, wie ihre Helden Momo, Beppo oder Nino auszusehen haben. „Am Ende nahmen sie aber doch alle meine Entwürfe ab“, sagt Grit Walther lächelnd, die die Erwartungshaltung von Sohn und Tochter nicht komplett enttäuschen wollteh bin im Moment sehr märchengeprägt, aber das sind Stoffe, bei denen man als Kostümbildnerin einfach nicht nein sagen kann, selbst wenn man wenig Zeit hat.“ Doch die vergisst man wohl ohnehin, wenn man einem Meister der Zeit wie Hora verfallen ist. An dessen Allsichtsbrille wird im Moment noch getüftelt. „Sie muss nicht nur aussehen wie aus der Zeit gefallen, sondern auch für den Schauspieler Roland Kuchenbuch handhabbar sein.“ Diese leicht versponnene, schrullige Figur, die mit ihren Antennen die Schwingungen im All aufnimmt, erinnert Grit Walther an einen ihrer Lieblingsfilme, „Die Zeitmaschine“, in der es auch einen Erfinder in der Ästhetik der Jahrhundertwende gibt.

Ansonsten spielt das von Intendant Tobias Wellemeyer für die Bühne bearbeitete Kinderstück im Mediterranen, wo sich die pastelle Farbigkeit von Momos Freunden nach und nach in eine gespenstische Tristesse verwandelt. Denn die „grauen Herren“ veranlassen immer mehr Menschen, Zeit zu sparen, vor allem im Leben miteinander. Auch Nino, der liebenswürdige Wirt, schmeißt eines Abends die alten Männer raus, die sich den ganzen Abend an einem Glas Rotwein festhalten. Am Ende sitzt er in einem Automatenrestaurant hinter Plexiglas, die Menschlichkeit ist verschwunden. Und so verwandelt sich auch sein heiteres Kostüm in einen grauen Kittel. Mehr und mehr durchsetzen die „grauen Herren“ den Alltag. Beherzt zieht Momo mit meisterlicher Hilfe Horas in den Kampf gegen die Zeitdiebe. Sie kann von ihnen nicht vereinnahmt werden und so bleibt auch ihre Farbigkeit unantastbar.

Grit Walthers Arbeit bedeutet mehr, als Schauspieler anzuziehen. Sie muss die Figuren durchdringen und charakterisieren. Ob eine Hose eng oder leger sitzt, bestimmt das Spiel durchaus mit. „Es ist schön, wenn man vorher weiß, wer eine Rolle spielt, um die Kleider auf den Leib zu schneidern. Und auch für die Schauspieler ist es gut, mit Probenbeginn zu wissen, in welchen Kostümen sie spielen.“ Oft ergeben sich noch während der Proben Veränderungen, so dass Grit Walther bis zur Premiere ihre „Momo“ stets begleitet, oft über den verlängerten Arm der Ausstattungsassistentin. „Nicola, den Maurer, dachten wir uns zum Beispiel anfangs kräftig gebaut. Jetzt wird er vom zarten Prinz aus dem Aschenputtel gespielt. Also müssen wir ihn nochmal komplett umdenken.“

Und auch das Budget bestimmt ihre Arbeit maßgeblich mit. So müsste es eigentlich vor grauen Herren auf der Bühne nur so wimmeln. Doch es gibt nur wenige Darsteller und die müssen nun flugs die Kostüme und damit ihre Identität wechseln. Also werden lange Reißverschlüsse eingenäht, die Schürze ans Kleid geheftet, mit Perücken gearbeitet. Dass Sparzwänge nicht unbedingt zur optischen Armseligkeit führen, beweist der „Drachenreiter“, in dem die Kobolde und Feen durchaus etwas hermachen. „Da steckt dann natürlich sehr viel Arbeit der Theaterwerkstätten drin. Es ist schließlich die Kunst des Theaters, Dinge zu behaupten. Und Kinder sind gern bereit, diesen Illusionen zu glauben.“

So wie sie selbst als Kind, wenn sie mit der Schulklasse ins Theater nach Lutherstadt Eisleben fuhr. „Irgendwie muss es mich gefesselt haben, denn ich machte mich später auch auf eigene Faust auf den Weg, obwohl ich keine Biografie habe, die viel Theater mitbringt.“ Als sie während ihres Modedesign-Studiums in Halle am Schauspielhaus Leipzig den Kostümbildnern assistierte, wurden die Zukunftsweichen gestellt. Seitdem hält sie dem Theater an der langen Leine der Freiberuflichkeit die Treue, vor allem in Leipzig und Magdeburg. So wie es die Zeit und die Kinder erlauben. Eben auch auf der Lauer vor den „grauen Herren“.

Ganz schnell kann man in dem Beruf die Zeit vergessen, wenn man zum Beispiel in den vielen Stoffballen in Großhandelsgeschäften wühlt. Und vielleicht doch nicht fündig wird, wie für Meister Horas großkarierten blauen Mantel. Am Ende mussten die roten Karos aufgenäht werden. Das Besondere liege oft im Detail, so die 42-Jährige. So muss das Hemd von Gigi, dem Fremdenführer, Strickbündchen haben, weil er eben ein Individualist ist. „Niemand wird das sicher wahrnehmen. Aber gerade, wenn an einem Kostüm alles stimmt, fallen einzelne Dinge nicht auf. Dann denkt der Zuschauer einfach nur: So muss es aussehen“. Und vergisst dabei sicher Buch und Film.

Premiere ist am 20. März, 18 Uhr, Neues Theater, Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

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