Zunächst war es der Text, der beeindruckte. Bilderreich und kraftvoll ist er. So manch poetisches Aperçu kommt darin zu Worte. Shakespeares Komödie „Verlorene Liebesmüh’“, deren Sprache bei den Briten als zu altmodisch und blumig angesehen wird, fand in Maik Hamburger einen ganz heutigen Übersetzer, der dem Wort Shakespeares vertraut. Die Sprache ließ auch deswegen sogleich aufhorchen, weil die Schauspieler, die sich am Donnerstagabend am Belvedere auf dem Pfingstberg hören ließen, wunderbar kultiviert sprachen. Leider ist dies heutzutage nicht gang und gäbe.
Poetenpack-Chef Andreas Hueck, der wieder als Regisseur fungierte, wagte sich zum zehnjährigen Jubiläum der Theatertruppe an eines der weniger bekannten Stücke Shakespeares. Es scheint, dass die Komödie auch unter Liebhabern und Experten wenig Popularität genießt. Nach Shakespeares Tod im Jahre 1616 wurde das Stück bis 1939 nicht wieder aufgeführt. Auch danach wurde es eher selten aus der Schublade hervorgeholt.
Die Komödien-Vorlage spielt mit dem Zwist von Moral und Liebesglut: Der junge König von Navarra legt mit einigen Gefährten den Eid ab, drei Jahre lang nur philosophische Bücher statt Frauen anzuschauen, sich nur am Wissen statt am Wein zu berauschen. Dummerweise sind vier fesche Damen unter Leitung der Königin von Frankreich im Anrollen und verdrehen den Junggesellen die Köpfe. Heimliche Liebesbriefe und Schwärmereien führen natürlich zum Bruch des Eides. Ein heiteres Spiel über Mann und Frau, voller Ironie und Verwechslungskomik. Bis die richtigen Paare sich finden, bedarf es vieler Worte, schwülstiger Liebesgedichte, fehlgeleiteter Briefe und des Einsatzes der Liebesgötter.
Andreas Hueck, unterstützt von den trefflichen Kostümen und dem minimal gehaltenen Bühnenbild von Janet Kirsten (die prächtige Nordwand des Belvedere ist ja allein schon eine hinreißende Kulisse), hat „Verlorene Liebesmüh’“ in unser Heute verlegt und es als eine Art „Shakespeare Light“ inszeniert, gespickt mit so manchem Slapstick und musikalischen Einwürfen von Klassik bis zum Rap. Entertainment war angesagt. Aber leider waren die Darsteller da schon fast ausgepowert, blitzten die Wortgefechte nicht mehr so brillant auf wie im ersten Teil, hatte der Abend plötzlich einige Längen.
Huecks Inszenierung ist aber insgesamt bunt und spritzig. Auf dem Pfingstberg wird der Komödie viel Luft zum Atmen gegeben. Daran haben die ausgezeichneten Darsteller den größten Anteil. Jutta Bayer, Laura Jakschas, Jelena Fräntzel, Martina Kock, Michael Stoerzer, Peer Göring, Marin Caktas und Jan Käpernick, nicht zu vergessen der Saxofonist Arne Assmann, stürzen sich mit Feuereifer und mit Tempo in die verschiedensten Rollen, die sie zu spielen haben, als Edelleute oder Menschen aus dem Volk.
Köstlich sind die Szenen mit den kleinen Bürgern Navarras, die sich immer wieder gern das Publikum als Mitspieler suchen. Auch sie können sich dem Gefühlsstrudel der hohen Herrschaften nicht entziehen. Obwohl auch er Enthaltsamkeit üben soll, schwebt der spanische Dichter Don Adriano de Armado längst auf Wolke Sieben. Selbst der Clown Boskop ist, schneller als er seine Pennys zählen kann, zum courier d’amour für die Verliebten geworden. Auch mit ihnen entwickelt sich ein shakespearescher Liebesreigen mit all den Irrungen, Wirrungen und Fallen für die Opfer, wie es uns gefällt Es war keine verlorene Liebesmüh‘. Klaus Büstrin
Nächste Vorstellung: heute, 20 Uhr
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