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Von Richard Rabensaat: Ein gerader Weg

Gegenständlich, witzig und engagiert sind die Bilder der Künstlergruppe Melpomene in der Galerie am Neuen Palais

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Stefan boxt und Sarah bekommt ein Kind. Völlig konzentriert auf ihren Körper wirken die Protagonisten der beiden Bilder Robert Meyers. Die Frau, mit einem Streiflicht von der Seite erhellt, gemalt vor dunklem Hintergrund, erinnert an die christlichen Szenen Georges de la Tours, die eine ebenso selbst versunkene Würde ausstrahlen. Auch andere Maler der Gruppe Melpomene, die derzeit in der Galerie am Neuen Palais ausstellt, lassen Reminiszenzen an die Kunstgeschichte erkennen.

Harte Schläge hätte die gegenständliche Malerei in den vergangenen Jahrhunderten einstecken müssen, stellt Thomas Johannsmeier in seiner Eröffnungsrede fest. „Erst ist sie von Faschismus und Kommunismus ideologisch missbraucht worden, dann kam die abstrakte Malerei.“ Dennoch fasziniere es die Maler nach wie vor, in dem Abbild dargestellter Gegenstände und Menschen die Realität zu verdichten. „Der Malprozess dauert lang, der Maler investiert viel Zeit. Viele Gedanken und handwerkliches Können fließen in das Bild ein“, bemerkt der Künstler, der auch als Pädagoge arbeitet. Gelinge das Bild, so finde der Betrachter einen Ausgangspunkt für eigene Reflexionen und Betrachtungen. So entstehe Kunst. „Wir träumen gegenständlich“, resümiert Johannsmeier.

Die Ausstellung ist trotz des belehrenden Vorworts dennoch kein pädagogisches Seminar. Es finden sich auch witzige Bilder. Eine Frau schaut hoch zu einer Taube, die aber liegt tot auf blauem Wolkenhimmel. „Ich träum davon Lokomotivführer zu werden“, hat der Maler Hinrich van Hülsen als Schriftzug quer über das Bild geschrieben. Man mag der Frau den Wunsch nicht so recht abnehmen, und auch der Titel des Bildes klingt ein wenig sonderbar: „Die total tote Türkentaube“.

Beschwingter Jazz untermalt die Vernissage, die ersten warmen Strahlen der gerade erst erwachenden und daher noch ein wenig verschlafenen Frühlingssonne werfen ein mildes Licht durch die Fenster der Galerie. Auf einem Bild von Axel Gundrum verharren drei Frauen in erstarrter Pose von großstädtischer Kulisse. Es sind Typen: die mondäne Dame im teuren Mantel, die aufgebretzelte Verführerin in lockerer Lingerie, die rothaarige Punkerin. In handwerklich perfekter Manier erfasst Gundrum Stofflichkeit von Pelz und Perlenschmuck. Die nicht besonders freundliche, aber schlüssige Interpretation der Realität entsteht bei Gundrum aus der genauen Beobachtung der Details.

Fünf wohlgeformte weibliche Akte der Bildhauerin Nänzi, ergänzen die Tafelbilder. „White is beautiful“ behauptet selbstbewusst Gilse und stemmt dabei ihre Hände mit pinkfarben lackierten Fingernägeln in die Hüften. Jane kniet anmutig lächelnd auf dem Boden. Nur ein Kleinkind, das sich mit ausgebreiteten Armen dem Betrachter entgegenreckt, lässt übles vermuten: „Rosemaries Baby“ lautet der Titel in Anlehnung an das Teufelskind aus dem gleichnamigen Film.

Melpomene, eine der neun Musen der griechischen Dichtung, hat die fünf Maler der Osnabrücker Malergruppe inspiriert. „Wir gehen seit 15 Jahren einen geraden Weg im Realismus“, konstatiert Axel Gundrum. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe einige Begleiter bekommen, die es schnell in den internationalen Kunstbetrieb geschafft haben, nicht zuletzt dank politischer Unterstützung.

Von denen unterscheidet sich Melpomene gründlich. „Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt und unsere Ausstellungen selber organisiert. Das ist der Vorteil einer Künstlergruppe“, stellt Axel Gundrum fest. Ein Unterstützer- und Fördererkreis habe es ermöglicht, dass die niedersächsische Malergruppe Kataloge und Jahresgaben emittieren konnte. Der Kontakt nach Potsdam kam zustande, als der Galerist Jürgen Oswald ein Bild des Osnabrückers Thomas Bühler in Berlin sah. Vor mehr als zehn Jahren fand die erste Ausstellung von Melpomene in Potsdam statt. Der Gruppenzusammenhalt half dabei: „Das ist irgend etwas zwischen Künstlergenossenschaft und Flohzirkus“, bemerkt Gundrum erfreulich selbstironisch.

„Melpomene und Gäste. Malerei, Grafik und Skulptur. 8 Künstlerinnen und Künstler stellen ihre Werke vor“, noch bis zum 28. März, freitags bis sonntags, 13-18 Uhr und nach Vereinbarung, Am Neuen Palais 2A

Richard Rabensaat

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