Kultur: Ein Gipfeltreffen
Adventskonzert des Landesjugendsinfonieorchesters
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Adventskonzert des Landesjugendsinfonieorchesters Wann auch immer das Landesjugendsinfonieorchester Brandenburg zur Begutachtung seiner Arbeitsphasen auffordert, wird man von den Ergebnissen dessen Auseinandersetzungen besonders mit dem klassischen und romantischen Musikerbe auf die angenehmste Weise überrascht. Und so flogen den jungen, erneut mit Begeisterung und Können aufwartenden Musikern die Herzen der Zuhörer entgegen, als sie zum Besuch ihres Adventskonzertes in die (überaus gut besuchte) Erlöserkirche einluden. Unter der klaren, anspornenden Zeichengebung ihres künstlerischen Leiters Sebastian Weigle, der der Musikantenschar seit einem Dezennium ein orchestererzieherischer und menschlicher Glückfall bedeutet, zelebrierten sie mit ihrem ungewöhnlichen Programm ein deutsch-französisches Gipfeltreffen der hochromantischen Gefühle auf exzellentem Klangniveau. In den Mittelpunkt ihrer musikalischen Märchenstunde stellten sie Ausschnitte aus Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Bereits in der stimmungsvollen Ouvertüre rollte die Hörnergruppe klangschön, absolut sicher und in großer Ruhe den dafür erforderlichen Klangteppich aus, auf dem sich nacheinander Streicher und Holzbläser gleich einer Motivmodenschau prächtig präsentieren konnten. Des instrumentalen Singens, des dunkel getönten und schwelgerischen Klangwebens nach Wagnerschem Vorbild schien dabei kein Ende zu sein. Ihm gesellten sich Gesangssolisten der Deutschen Staatsoper Berlin hinzu, die sich der Begleitung durch die Jungmusiker anvertrauten – und bei ihnen bestens aufgehoben waren. Glaubhaft sang Simone Schröder mit ihrem profunden Mezzosopran einen burschikosen Hänsel, die Sopranistin Carola Höhn eine liebreizende, aber auch energische Gretel. Beide trafen den Volksliedton von „Suse, liebe Suse“ bis zur Aufforderung „Brüderchen, komm tanz mit mir“ vorzüglich. Soprananrührend machte Nadine Lehner als Sandmännchen die Augen der in den Wald verstoßenen Kinder (2. Bild) müde, weckte sie wenig später (3. Bild) als Taumännchen wieder auf. Wagnererfahren und mit Bayreuth-Weihen versehen sie alle, wodurch sich die Humperdinckschen Gefühlswonnen vorzüglich auszudrücken verstanden. Klangsatt gingen die Kinder zu Bett („Abends will ich schlafen geh''n“), klangvoluminös bestaunten sie das Pfefferkuchenhaus der Hexe („Wie duftets von dorten“). Das Orchester stand dem in nichts nach. Opulent klangmalte es die Traum-Pantomime, das anschließende Aufwachen (Vorspiel zum 3. Bild). Was mit zwei Werkeinfügungen zunächst etwas programmbefremdlich oder gar als Fremdkörper erscheinen mochte, erwies sich gleichsam als kontrapunktische Köstlichkeiten. An der Schuke-Orgel spielte Friedrich Meinel den 3. Choral a-Moll (1890) von Cesar Franck in all seiner erhabenen Monumentalität und Übersichtlichkeit. Mit geradezu improvisatorischer Leichtigkeit breitete er die toccatagleiche Anlage des Stückes aus, setzte Pedalmonumentalität gegen die zerrissene, flackernd-unruhige Bewegung im Diskant. Per Tremulant erzeugte er immer wieder eine geradezu ätherische Besänftigung. Die vom Komponisten stammenden Registrierungshinweise beachtete Friedrich Meinel genauso wie er des Komponisten Sinn für Farbkontraste zu entsprechen vermochte. Jedes Orchester, das auf sich hält, gönnt sich mindestens eine Kammermusikvereinigung. Beim Landesjugendsinfonieorchester ist es seit Sommer diesen Jahres das Istoria-Streichquartett, das von Konzertmeisterin Daniela Gubatz als Primaria, Alina Gropper (2. Violine), Dorian Wetzel (Viola) und Jonathan Weigle (Violoncello) gebildet wird. Erstaunlich sicher und selbstbewusst spielten sie die Ecksätze aus dem Streichquartett f-Moll op. 20 Nr. 5 von Joseph Haydn. Dem Moderato schenkten sie einen elegisch singenden Ton. Natürlich durfte man von ihnen noch keine Wunderdinge in der „Gesprächsführung“ erwarten, doch locker und gelöst, angeregt und anregend, mitunter auch dramatisch akzentuiert ging es zu. Im energischen Zugriff meisterten sie das Final-Allegro, eine Fuge barocken Zuschnitts, deren kunstvollen kontrapunktischen Verstrickungen sie mit aller pathetischen Musizierlaune nachspürten.Peter Buske
Peter Buske
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