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Spaß auf der Bühne. 700 große und kleine Eleven hatten ihren Auftritt.

© Gloede/HOT

Kultur: Ein großer Auftritt

„Schwanensee“ unter der Leitung der Regisseurin Marita Erxleben im Hans Otto Theater

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Über der wie mit Mondlicht beschienenen Szenerie liegt noch das Lachen der unbeschwerten Mädchen, die gerade eben verspielt über die Bühne tänzelten. Dann erscheint, ein Nachzügler, Odette, die Prinzessin aus „Schwanensee“, dem wohl beliebtesten Ballettstück des russischen Komponisten Peter Iljitsch Tschaikowski, das bereits 1877 im Bolschoi-Theater in Moskau seine Uraufführung hatte. Anmutig und mit abstandslos größtem Talent tanzt hier Samstagnachmittag im Hans Otto Theater Davina Wölfle in der Rolle der Odette und übernimmt damit die Hauptbesetzung der Adaption „Die Schwanenprinzessin“, die unter der Leitung der Regisseurin und Choreografin Marita Erxleben entstanden ist.

Das Stück, das rund 60 Minuten füllt, soll sich zwar an seinem Original orientieren, aber eine eigene Sprache sprechen. Und so bildet die Eingangsszene nicht der Geburtstag des Prinzen, der seine Volljährigkeit feiert, sondern die Verwandlung der Prinzessin in einen Schwan – eine Szenerie, die eben noch leicht und anmutig war und plötzlich, vor allem mit der Hilfe von Tschaikowskis musikalischer Komposition, bedeutungsschwanger und bedrohlich wird, als die düstere Figur des Zauberers Rotbart auftaucht, der, auf Stelzen, die Prinzessin mit seinem wallenden dunklen Umhang einfängt und sie als Schwanenprinzessin wieder freigibt.

Dann heißt es erst einmal Geduld – pro Aufführung werden 140 große und kleine Eleven auf der Bühne des Theaters ihren Auftritt haben. In wechselnder Besetzung konnte Marita Erxleben so 700 Darstellern die Möglichkeit geben, das in den vergangenen Jahren und Monaten gelernte auch einmal vor Publikum zu zeigen. Jetzt also Auftritt der tapsigen kleinen Schildkröten, den kleinsten Mitwirkenden, die sich in den Hüften wiegen und kleine Ausfallschritte nach links oder rechts wagen.

Abgelöst werden sie von den schon etwas größeren Fröschen, die in Turnschuhen und mit lässiger Kleidung Streetdance zu klassischer Musik performen. Ihr Anführer, ein dicker Oberfrosch, hier getanzt von Hawk, der auch die Rolle des Rotbart übernimmt, begeistert den randvoll mit Kindern besetzten Saal durch seine plumpe Eleganz, seine witzigen Breakdanceeinlagen. Es sind selbstbewusste Annäherungsversuche gegenüber der Prinzessin, die plötzlich wieder auf der Bühne erscheint.

Jetzt der Schlüsselmoment! Der Prinz tritt auf und entdeckt die Schwanenprinzessin. Neugierig bewegen sich die beiden umeinander und der Frosch zieht sich zurück, sieht er doch ein, dass hier ein echter Konkurrent aufgetaucht ist. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Bevor die Szenerie wieder ins königliche Schloss wechselt, erfreut sich das Publikum noch an einer Gruppe kleiner Seerosen, die, in zarten Tüll gehüllt, den Boden der Bühne zu einer Wasserlandschaft machen.

Doch nun ins Schloss: eine ganze Schar in schwarz und weiß gekleideter, stepptanzender Kellnerinnen erwartet eine Festgesellschaft. Für den Geburtstag des Prinzen? Oder doch eher eine Brautschauveranstaltung? Aufgeregte Paparazzi mit witzigen Kamera-Attrappen tauchen auf und wirbeln die Szenerie auf. Fünf Prinzessinen in Tüll, Glitter und pinker Seide erscheinen, tanzen wie bei einem Cancan in Reihe, posen und buhlen um den Prinzen, der plötzlich erscheint. Dessen Tanzschritte bleiben minimalistisch, er umgeht die Damen, lässt sich ihre Aufmerksamkeiten gern gefallen und bleibt doch unzufrieden. Hier blitzt, leider nur kurz, das auf, was Marita Erxleben ankündigt hatte: Das Stück spiegelt auch eine Aktualität, die sich vor allem auf Oberflächlichkeit, Äußerlichkeit und unreflektierte Idealisierungen bezieht. Die Prinzessinnen als Groupies. Der Prinz als Rockstar.

Lässt er sich darum von der schönen schwarzen Schwanenprinzessin blenden, die auf seiner zweiten Festgesellschaft auftaucht? Dabei hatte seine tatsächliche Herzensdame ihn doch gewarnt! In einem zweiten Tanz umeinander, der kurz vorher stattfand, hatten die beiden schließlich in inniger Umarmung zueinander gefunden. Jetzt galt es, Rotbarts Zauber zu brechen! Und der Prinz erkennt seine Prinzessin nicht! Die beobachtet die Verwechslung enttäuscht und läuft davon. Der Prinz ist entsetzt ob des Betruges durch Rotbart und dessen Tochter Odile, die die falsche Prinzessin mimt.

Er folgt Odette, es kommt zum Showdown. Ein Kampf in Slowmotion, Odette fällt darnieder, ertrinkt? Der Prinz folgt ihr, scheint ebenfalls tot. Auch Rotbart tot. Dann plötzlich, wie von Zauberhand, erwachen Prinz und Prinzessin. Sie wieder in Menschengestalt, glücklich vereint! Das Ende gerät etwas plötzlich, beinahe rätselhaft. Aber es passt zur Adaption, die zwar mutig verschiedene Tanzstile miteinander kombiniert, aber sonst viel zu nah am Original bleibt und ein wenig sprunghaft gerät, in erster Linie das Ziel verfolgt, allen Tanzenden den Auftritt zu ermöglichen.Andrea Schneider

Andrea Schneider

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