Kultur: Ein knisterndes, wärmendes Feuer
Gerhard Schöne begeisterte in der Dorfkirche Eiche
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Gerhard Schöne begeisterte in der Dorfkirche Eiche Gerhard Schöne ist ein „Brandstifter“. Sein wohliges Feuer brennt Mauern nieder: Mauern zwischen den Menschen, zwischen den Kulturen, zwischen den Generationen. Wenn der Sänger zur Klampfe greift, klatschen Oma wie Enkel fröhlich in die Hände, lassen die Zunge schnalzen und stampfen mit dem Fuß. Schönes Lieder locken das Kindsein heraus, stärken mit sanfter Stimme das zu weiche Rückgrat. Wenn der Sänger kommt, wird es eng. Auch in der Dorfkirche Eiche ist er am Sonntag dicht umringt: von krabbelnden Kindern, kuschelnden Liebespärchen, ergrauten Damen, kahlköpfigen Herrn. Und alle kennen seine Lieder: sind mit ihnen aufgewachsen und in die Jahre gekommen. Doch auch die betagten Geschichten, die Gerhard Schöne erzählt, strahlen immer noch Jungfräuliches aus, provozieren Lachen, jagen Schauer über den Rücken oder lassen einfach träumen. In dem von acht Säulen getragenen Kirchenrund lässt der Liederpoet zum Auftakt der diesjährigen „Stunde der Musik und Dichtung“ den „Deibel kommen“. Das stille Gotteshaus aus friderizianischer Zeit verwandelt sich in einen aufjauchzenden Jahrmarkt der Gefühle. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich“s sein.“ Mit diesen Goethe-Worten lässt sich dieses Miteinander trefflich beschreiben. Gerade selbst erst wieder Vater geworden, heißt Schöne auch alle anderen neuen Menschen willkommen, die „Kleinen Wesen, hier auf Erden“: „Wo wirst du die Welt betreten, wird man dich auf Kissen betten? Schläfst du in Kartons aus Pappe, zugedeckt mit einer Zeitung?“. Gerhard Schöne singt sich die Welt nicht schön, er sieht hin, wo die menschliche Seele getreten wird, und hat doch immer wieder auch ein Pflaster zur Hand. Sein Quer-Beet-Programm ist ein Wechselbad der Gefühle. Da singt er das Hohelied auf „Oma Emilia“, freut sich, wie Gott das Gras wachsen lässt, argwöhnt, wie doch alle so gut funktionieren und bequem in „Kleine Schachteln“ passen. Ja, und er lässt an diesem späten Nachmittag auch alle Skrupel fallen und singt unterm Altar das schon von der Stasi und auch von einigen Erziehern beargwöhnte „Popel“-Lied. Etwas schwerer haben es seine Lieder zu Fotografien. Selbst die kurzen Erklärungen zu den leider nicht mitgebrachten Fotos sind den Kindern zu lang. Und da lassen sich auch die Erwachsenen schnell von den Kinderspielen rund ums Taufbecken ablenken. Aber diese Unruhe stört niemanden ernstlich. Wie bei einer großen Familienfeier, zu der sich alle Generationen zusammen finden, erfreut man sich aneinander und miteinander. Und immer wieder finden auch alle zu den Liedern zurück, singen wie aus einem Munde: „Jule wäscht sich nicht“ oder „Der Riese Glombatsch“. Und geht dem Liedermacher selbst einmal eine Zeile verloren, hilft schnell ein junger Mann aus dem Publikum weiter. Nicht nur er hat offensichtlich die Lieder mit der Muttermilch aufgesogen. Gerhard Schönes Balladen köcheln auf kleiner, steter Flamme, anheimelnd und wärmend, kein Strohfeuer, das schnell verlischt. Heidi Jäger
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